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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
63. Jahrgang — Nummer 3
Hauptthema war dem Ahrntaler aller-
dings „Marienlob und Gloriasang“. Hirten
und Könige hat er, wie viele Künstler vor
ihm, in die Tiroler Bergwelt versetzt. Die
Wächter der Herde stapfen durch den
Schnee zum hell erleuchteten Stall; die
Weisen mit ihren Geschenken reiten
durch eine herrliche Winterlandschaft. Ein
anderes Mal drängen Bauersleute die
Dorfgasse entlang zum Kinde auf Marias
Schoß oder die Buben vor dem Stall bera-
ten, wie sie sich wohl vor dem Kinde zu
benehmen hätten.
Schon als Theologe hatte er sich in das
Mysterium der heiligen Nacht vertieft und
hatte ihm Ausdruck gegeben auf Leinwand
und in anderen Materialien; ja, er griff so-
gar zu Schnitzmesser und Stemmeisen.
Am Vorabend eines Marienfestes – am
24. März 1895 – zu St. Johann im Ahrnta-
le geboren und am 17. Dezember 1921
zum Priester geweiht, feierte Oberkofler
am 23. des gleichen Monats seine Primiz.
Vielleicht habe ich nicht ganz Unrecht,
daß die große Weihnachtsfreude im Prie-
ster immer wieder neu aufleuchtete, so oft
er zum Pinsel griff, um zu künden vom
großen Wunder, daß Gott zu uns kam. Die
erste Kooperatorenstelle des „Tölderers“
war Wiesen bei Sterzing (1922/23). Er
hinterließ dort ein Kleinod, ein Flügelal-
tärchen in Hochrelief und bildlichen Dar-
stellungen. Als Lüsener Kooperator
(1923 bis 1927) wurde er dann für ein Stu-
dium an der Akademie in München frei-
gestellt. Für das Kolleg St. Ottilien, in dem
er wohnte, kopierte er Tiepolos „Anbetung
der Könige“.
Mit 1. Mai 1928 erhielt Johann Baptist
Oberkofler das Sparapanische Benefizium
am Hohen Dome zu Brixen. So zog er in
die Runggadgasse 5 der Bischofsstadt.
Von hier aus ratterte er – so lange er ge-
sundheitlich konnte – mit seinem Motor-
rad sommers von Kirche zu Kirche, um
die Schäden der Zeit zu heilen. Die übrige
Zeit malte er vor seiner Staffelei. Jahrelang
schon zuckerkrank, artete das Übel
schließlich zu einer schweren Arterien-
krankheit aus. Die Amputation beider Bei-
ne im Brunecker Krankenhaus konnte sein
Leben auch nicht mehr retten. So starb er
am 2. Jänner 1969.
Wer zählt all die Bilder, die aus der
Brixner Runggadgasse den Weg ins Volk
gefunden hatten? Wer kennt all die Kir-
chen und Kapellen, denen der Unermüdli-
che Schmuck und Andachtsstimmung ver-
liehen hatte? Über 70 sollen es gewesen
sein, so liest man. Vieles davon ist bereits
der Ungunst der Zeit zum Opfer gefallen.
Vieles jedoch lädt auch heute noch zu Ge-
bet und Andacht ein. Unerschöpflich war
des Malers Phantasie, abwechslungsreich
die Art der Darstellung und gekonnt seine
Technik. Er malte in Öl, Tempera, Aqua-
rell und Pastell; er liebte Freskomalerei
und Federzeichnungen. Danach gefragt,
wie viele Bilder er denn gemalt hätte, ant-
wortete er: „O, das weiß ich selber nicht.
Ihre Zahl geht sicherlich in die Tausende.
Jedes Jahr waren es einige Hundert.“ In al-
ler Welt sind sie zu finden: in Südtirol, in
Nordtirol, in Osttirol, in Italien, in Öster-
reich, Deutschland, England, Frankreich,
Norwegen, Afrika, Amerika, Indonesien.
Sogar für die Philippinen hätte er ein
Altarblatt in Auftrag bekommen.
Viel ist über Oberkofler geschrieben
worden. Ob dabei sein Lebenswerk je
ganzheitlich gesehen und beurteilt worden
ist? Er war ein großer Freskant, ein Idylli-
ker, Landschaftsmaler, Porträtist, aber
auch ein Mann großen handwerklichen
Geschicks. Das kam ihm zugute als Re-
staurator und beim Ausbessern von Kru-
zifixen und anderen kirchlichen Gegen-
ständen. Er malte auch Fahnenbilder, fer-
tigte für manche Kirche ein „Heiliges
Grab“ für die Karwochenliturgie und Bret-
terkrippen für die Weihnachtszeit. Man
kennt auch Kulissen und Schmuck für
Bücher und Aufsätze. All dies und die vie-
len, vielen Stunden, die er im Museum ra-
tend und helfend dem Lande schenkte,
muß in die Waagschale geworfen werden
und nicht zuletzt seine menschliche
Größe und seine dienende Seelsorge.
Immer wieder hat man es bedauert, daß
Oberkofler nicht den Weg zu seinem
Künstlertum gegangen wäre, daß er sich
trotz guter Anlagen und Fähigkeiten zu
wenig sich selbst verwirklicht hätte, daß er
seinen Ideen keine zeitgemäße Form ge-
geben und daß er sich in seinem Schaffen
zu sehr nach dem Urteil und Kunstver-
ständnis des Volkes gerichtet hätte. Ge-
wiß, wäre es anders, sein Name hätte einen
besseren Klang. Ihm aber war die Kunst
stets Dienerin einer höheren Aufgabe, der
er sich immer gestellt hatte. So nur ist
Oberkoflers Kunst zu sehen. Was der be-
scheidene Mann bezwecken wollte, ist ihm
gelungen. Zuversicht und Glaube strahlen
auch heute noch aus seinen Bildern, vor-
dergründig niemals Beweisstücke seines
Könnens, sondern in echt priesterlicher
Gesinnung Hilfe zur Lebensbewältigung.
Der Maler des Hochgebirges und seiner
Menschen, Giovanni Segantini aus Arco,
schrieb einmal: „Ich wünschte, daß die
Kunst eine Mittlerin sei zwischen Gott und
unserer Seele.“ Derselbe Gedanke beglei-
tete den Dombenefiziaten bei seinen Ar-
beiten an der Staffelei und am Gerüst.
Wer immer am Künstlertum Johann
Baptist Oberkoflers seine Bedenken anzu-
melden hat, darf dabei niemals außer acht
lassen das Sendungsbewußtsein dieses ed-
len Priesters, die Treue zu seiner Beru-
fung, die Treue zu seiner Heimat. In wel-
che Kategorie auch immer er dann den
Priestermaler einreiht, er wird sein und
bleiben ein großer Künder seines Landes,
ein nie zu überhörender Prediger, ein be-
deutender Tiroler, dem auch Osttirol viel
zu verdanken hat.
„Holzfäller“
als Beispiel für
J. B. Oberkoflers
profane Themen;
Öl auf Tämm-
platte, 47,5 x
59,0 cm unda-
tiert; Museum
der Stadt Lienz,
Schloß Bruck.
Foto:
Lois Ebner
Kuppelfresko „Huldigung der ganzen Erde vor Christus dem König“ (Ausschnitt) in der
Pfarrkirche von St. Jakob i. D., 1935.
Foto: Meinrad Pizzinini