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Höfen würde es bei ähnlichen Abgaben
rund 3.965 Vierlinge ausmachen.
Somit kämen wir für die Gesamt-Ge-
treideabgaben für Windisch-Matrei auf
9.838 Vierlinge oder in kg umgerechnet
auf 147.570 kg.
Vergleich mit Virgen/Prägraten
Getreideabgaben für Virgen/Prägraten
aus dem Jahre 1802
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: 126.000 kg.
Getreideabgaben für Windisch-Matrei
aus dem Jahre 1809: 147.570 kg.
Daraus ersehen wir, daß es den Matrei-
er Bauern bezüglich Getreideablieferungen
nichts besser, – ja, vielleicht noch
schlechter erging als denen in Virgen.
Weitere wirtschaftliche Verschlech-
terungen für die Matreier
Im Jahre 1809, – die Abgaben waren
wohl schon an die Grundherrn abgeliefert,
– mußten die Matreier 5.500 Mann und
300 Pferde des französischen Generals
Broussier verpflegen, der am 24. Dezem-
ber 1809 zu einem Strafgericht erschien.
Im folgenden Jahr kam Matrei mit dem
übrigen östlichen Pustertal – einschließlich
Innichen – zu den Illyrischen Provinzen,
die direkt Napoleon unterstanden. Hatte
sich die salzburgische Finanzverwaltung
durch Gewährung von Nachlässen bei be-
sonderen Notfällen oft recht entgegen-
kommend gezeigt, so trat hier eine voll-
kommene Änderung ein.
Die französischen Behörden forderten so
strenge Beweise, daß die Beamten sich
nicht wagten, um Nachlässe von Abgaben
anzusuchen. Zudem durfte kein billiges
Salz aus Hallein mehr eingeführt werden,
wodurch sich der Preis für 1 Zentner Salz
– wie der spätere Landrichter von Matrei
berichtete – von 48 Kreuzer auf sieben
Gulden (= 560 Kreuzer) erhöhte.
Als die Lasten unerträglich wurden, be-
sonders durch die Erhöhung der Ehrungen
(Erbschaftssteuern), reichte die Gemeinde
Matrei ein Schreiben an die französische
Gefällen-Direktion in Villach ein mit der
Bitte um Abhilfe in dieser Notlage.
Darauf erhielt der Rentamtsbeamte
Sandherr in Lienz den Auftrag, der fran-
zösischen Finanzverwaltung ein Gutachten
über die tatsächlichen Zustände zu erstel-
len.
Dieses Gutachten wurde am 12. März
1813 in französischer Sprache abge-
schickt.
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Anschließend bringe ich Teile aus dem
Originalbericht des Domainen-Verifica-
teurs in deutscher Übersetzung:
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„…Die Armut der Untertanen der vor-
maligen Herrschaft Windisch-Matrei ist
allgemein anerkannt und hat seinen
Grund in den übermäßigen Zinsabgaben
und den Laudemialgebühren (= Ehrungen)
mit welchen ihre Landwirtschaftsbesit-
zungen beschwert sind.
Das von den Eisbergen umschlossene
Tal Windisch-Matrei hat sehr wenig
Ackerfeld, und die Körnererzeugung ist
nicht hinreichend, die Subsistenz der Ein-
wohner zu sichern. Die Kultur des Acker-
feldes und des Wiesenlandes erfordert in
den Gebirgslanden eine ungleich größere
Anzahl von Arbeitsleuten als auf dem fla-
chen Lande.“ Der weitere Bericht handelt
von den Beschwernissen der Arbeit, von
Wildbächen, Lawinen, Viehzucht, u. a. m.
Vor der Vereinigung zum illyrischen
Königreich zahlte die ganze Herrschaft an
direkten Steuern ungefähr 4.309 Franc und
gegenwärtig zahlt die einzige Mairi (= Ge-
meinde) Windisch-Matrei 10.498 Franc 53
Cent.
Die frühere Herrschaft war von der Un-
erschwinglichkeit der hohen Zinsabgaben
überzeugt, und in allen Amtsrechnungen
finden sich Erwähnungen von Nachlässen
und Abschreibungen von herrschaftlichen
Zinsabgaben. Seit 1803 fanden nur mehr
wenige Nachlässe statt, daher sich die
Rückstände seit 1802 bis 1811 auf die
enorme Summe von 50.222 Franc 90 Cent
angehäuft haben.
Nachlässe zu machen, ist aber von kei-
nem Nutzen. Der von Zinsabgaben zu sehr
beschwerte Untertan hat einen solchen
Wust von Rückständen vor sich, daß er
den Mut, sie je bezahlen zu können, not-
wendig verlieren muß.
Man muß den Untertanen in einen Stand
setzen, daß es ihm selbst in einem mittel-
mäßigen Jahre nicht schwer fällt, seine
jährliche Schuldigkeit abzuführen…
Scharfe Maßnahmen wie Execution dür-
fen hier, wo das Elend allgemein ist und
sich im Falle eines Verkaufes keine Käu-
fer finden würden, durchaus nicht ange-
wendet werden…
In der Folge wurden auch die Ehrungen
namhaft erhöht und vermehren die oh-
nehin drückenden Abgaben beträchtlich.
Anfangs standen die Ehrungen ganz
mäßig und stiegen auch von ganzen Gü-
tern nicht höher als 5 bis höchstens 20
Gulden. Diese Gebühren wurden nach und
nach von den Grundherrschaften in Fällen
der direkten männlichen Linie auf 5 %
oder bei Töchtern auf 10 % des Gutswer-
tes gesteigert. Diese Gebühr ist eine der
drückendsten und nicht mehr erschwing-
lich. Es ist unbegreiflich, wie die Unterta-
nen diesen Stand des Elends ertragen und
dabei gleichgültig bleiben können, in dem
sie Jahr aus, Jahr ein immerfort die
schwersten Arbeiten verrichten, mit einer
sehr groben Nahrung und einer elenden
Wohnung vorlieb nehmen müssen und da-
bei der beständigen Sorge ausgesetzt sind,
bald von dieser, bald von jener Seite be-
trieben zu werden.
Es ist lediglich die Liebe dieser Talbe-
wohner zu ihrer Heimat, die ihnen diesen
Zustand erträglich macht und die sich nicht
einmal eine bessere Gegend wünschen…
Der Staat muß also dem Grunduntertan
sowohl für das Vergangene als für die Zu-
kunft zu Hilfe kommen und solche Maß-
regeln eintreten lassen, die ihn in den
Stand setzen, seine Abgaben mit Leichtig-
keit abzuführen.
Ich glaube daher, daß
1. die Rückstände bis einschließlich
1810 ohne Unterschied dem Untertan
ganz nachgesehen werden sollen, dage-
gen wären aber
2. die Zinsschuldigkeiten für 1811 und
1812 nach den bestimmten Naturalien-
taxen ganz abzuführen;
3. für die Zukunft solle aber immer von
der jährlichen Zinskörnerschuldigkeit
wenigstens
1
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nachgesehen werden.
4. Die Ehrungen sollen ohne Unterschied
auf 2 % fixiert werden.
Dieses Ofper scheint zwar groß zu sein,
aber der Staat verliert dabei nur das, was er
ohnehin nie erhalten kann. Diese Bemer-
kungen gelten nicht bloß für die Herrschaft
Windisch-Matrei und Virgen, sondern
auch für sehr viele Grunduntertanen des
Cantons Lienz, welche ebenfalls mit un-
verhältnismäßigen Abgaben belastet sind.
Ich habe die Ehre – Sandherr (Verifica-
teur)“
Durch die Rückkehr Tirols zu Österreich
kam es zu keiner Reform, doch übten die
Reformvorschläge Sandherrs einen gün-
stigen Einfluß auf die weitere Entwicklung
der wirtschaftlichen Reformen aus.
Personenstand auf den Höfen
Für die schwere Bauernarbeit, besonders
für den Getreideanbau, benötigte der Bau-
mann viele Arbeitskräfte, doch bei diesen
hohen Abgaben bedeutete jeder Esser
mehr eine Einschränkung – oft bis zum
Hungern.
Aus der Beschreibung der Herrschaft
Windisch-Matrei vom Jahre 1774 möchte
ich nur jene Familien aufzählen, die zehn
und mehr Mitglieder zählten. Diese stam-
men alle aus Windisch-Matrei-Land.
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Nummer 1 –– 65. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Zedlach, Ausschnitt aus der „Urmappe“, dem ersten bildhaften Kataster, um 1860 .
(Vermessungsinspektorat für Tirol und Vorarlberg, Innsbruck.)