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Zum Schlusse des Inventariums erklärte
sowohl die Wittwe als der zur Aufsicht be-
stellte Erbe Ignatz Berger, daß sie nichts
auf die Seite gebracht, nichts gesehen ha-
ben, und auch nicht wissen, daß etwas auf
die Seite geschafft worden.
Geschlossen um 10 Uhr Mittags; wor-
nach dieses Inventarium zur Bestättigung
mit uns der den abwesenden Erb, Nikolas
Berger vertrettende Herr Notair Negele
und der Schätzmann Andrä Wöber unter-
zeichnet haben; die Wittwe und der zur
Aufsicht bestellte Sohn erklären des
Schreibens unkundig zu seyn.
Hiezu wurde eine Vaccation
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verwen-
det.
Lang m/p
Negele m/p Notair
Lasser
Andrä Wöber Schäzer“
Der folgende Absatz ist in französischer
Sprache und bedeutet auf deutsch folgen-
des:
Aufnahme in Lienz den 6. November
1812. fol.37
Empfangsbestätigung über 2 Frank 20
centimes
Der für die Zuständigkeit Untergebene
Hueber m/p
„Befehlen und verordnen allen unsern
General Prokuratoren bey unseren kaiser-
lichen Gerichtshöfen, unseren Prokurato-
ren bey unserern Tribunalien der ersten In-
stanzen, allen Commandanten der öffent-
lichen Gewalt zur Vollziehung des
Gegenwärtigen Beystand zu leisten.
Zur gleichlautenden Ausfertigung:
der Greffier des Friedensgerichtes Win-
dischmattrey Augustin von Lasser m/p“
Das Inventarium zeugt von großer Ge-
nauigkeit der französischen Vorschriften
bei der Aufnahme und Bewertung der Ver-
laßgegenstände, wohl um die Erbschafts-
steuer zu erhöhen, denn Napoleon
brauchte zum Kriegführen Geld und
nochmals Geld.
Die Kosten für die Erstellung des In-
ventariums samt Schätzung sind sehr nied-
rig gehalten, wohl wegen der Armut und
hohen Schuldenlast. Bei einem ähnlichen
Inventarium um die gleiche Zeit im Kan-
ton Greifenburg mußten dafür einschließ-
lich der Einregistrierung beim Friedens-
gericht 31 Gulden (damaliger Wert von
fast 1
1
2
Kühen) bezahlt werden.
Wenn wir die Verschuldung und den
Viehstand des Außerbartlers betrachten, so
müssen wir auf mehrere Exekutionen
schließen, die in W.-Matrei hauptsächlich
auf den Viehstand gerichtet waren. So be-
richtet Wopfner von häufigen Exekutionen
in W.-Matrei. Allein i. J. 1820 sollen nach
einem Bericht des Landrichters von W.-
Matrei in seinem Bezirk 200 Exekutionen
meist auf dem Viehstand stattgefunden ha-
ben.
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Eine Kuh und das alte Pferd mußten sie
dem Bartlerbauer zum Leben und Anbau-
en lassen. Die Mutterschafe werden die
Lämmer liefern müssen, die im Verein mit
den Kälbern der nächsten Exekution zum
Opfer fallen, wenn die Ehrung (Erb-
schaftssteuer) und ein Teil der versicherten
Schulden zu bezahlen sind.
Die Getreideabgaben an den Grund-
herrn, das Pflegeamt Windisch-Matrei,
waren auch sehr hoch, nämlich eine halbe
Tonne pro Jahr, wobei bereits ein Rück-
stand von 127 Gulden 36 Kreuzer an
Schulden bestand.
Weitere versicherte Schulden werden
angeführt: 110 Gulden Zehent an die Al-
banskirche und 106 Gulden Schulden an
Gregor Rauter, wohl für Salz und Leder.
Die anderen Schulden hatten auf Rück-
zahlung wenig Aussicht.
Trotz dieser äußerst mißlichen wirt-
schaftlichen Lage des Freistiftgutes
Außerbartler übernahm Ignaz Berger,
Sohn des verstorbenen Gregor Berger, den
verschuldeten Hof.
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Wie recht hatte doch der Rentamtsbe-
amte von Lienz, Sandherr, wenn er am 12.
März 1813 an die französische Gefällen-
Direktion in Villach schrieb: „Es ist ledig-
lich die Liebe dieser Talbewohner zu ihrer
Heimat, die ihnen diesen Zustand möglich
macht, und die sich nicht einmal eine bes-
sere Gegend wünschen.“
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Dieses Inventarium ist somit eine Be-
stätigung und Ergänzung des Beitrages:
„Bäuerliche Belastungen zur Zeit der
Grundherrschaft in Windisch-Matrei“.
Das weitere Schicksal des
Außer-Bartlerhofes
Die Grundgrenzen haben sich auf
Grund des in Zedlach durchgeführten
Grundzusammenlegungsverfahrens
in
den fünfziger Jahren geändert. Der Hof ist
noch als geschlossener Hof im Grundbuch
Matrei i. O. (Einlagezahl 90179) eingetra-
gen.
Der Schreibname hat sich geändert, weil
der letzte männliche Besitzer keine
Nachkommen hatte. Das Haus mußte auf
Grund des äußerst schlechten Zustandes –
da auch der Dachstuhl einfiel – abgetragen
werden.
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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
66. Jahrgang –– Nummer 1
Stampiglie des Königreiches Illyrien, der
wohl der Anerkennung des Vertrages unter
der im August 1813 wiedergekehrten
österreichischen Herrschaft diente.
Anmerkungen und Erklärungen:
Dafür dienten als Unterlagen:
Maria Hornung, Mundartkunde Osttirol. Seine dialekt-
geographische Darstellung mit volkskundlichen Ein-
blicken in die altbäuerliche Lebenswelt (= Studien zur
österreichisch-bairischen Dialektkunde Nr. 3), Wien 1964
(Im Text mit Ho abgekürzt).
Rücksprache mit Einheimischen aus Zedlach. Beson-
deren Dank bin ich Herrn Anton Oberbichler, Zedlach 10,
schuldig. (Im nachfolgenden Text unter Ob gekennzeich-
net.)
1 Konstutionen: „Auf Grund der Verfassung des Staa-
tes“.
2 Fahrnis: fahrende Habe, bewegliche Güter (tote und
lebende).
3 Frischling: bedeutet ursprünglich Jungtier vom
Schwein oder Schaf (Ho S. 155). In diesem Inventa-
rium bedeutet es „Mutterschaf“.
4 Strökr (Strotzer): mehrere kurze Ketten mit Haken am
Ring zum Ziehen von Baumstämmen (siehe Abbil-
dung).
5 Balg: Mehlbeutel oder Sack aus Ziegenhaut. Die Haut
der toten Ziege wird ohne größeren Schnitt abgezogen
(abgebalgt). Der Balg wird auf der Innenseite gegerbt,
außen naturbelassen. Die Haut der Beine bilden die
Tragfesseln (Ob).
6 Pfannholz: zum Daraufstellen der heißen Pfannen
beim Essen.
7 Dreifuß: gußeisernes Pfanngestell über dem offenen
Feuer. Dazu gehört noch die schwenkbare Kesselrei-
de mit der Reißkette (eigentlich Roatzkette = Schau-
kelkette) zum Aufhängen der Kessel (Ho).
8 Neiger: Bohrer mit schneckenförmiger Schneide
(Ob).
9 Reifmesser: Langes, reifförmig gebogenes Messer mit
zwei Griffen (Ho). Dazu gehört neben anderem
Werkzeug die Reifbank (Heinzelbank).
10 Brandschaufl (auch Glutschafl), zum Brotbacken.
11 Stribich: eine am Rücken zu tragende Butte aus Holz
für Mehl und Getreide.
12 Rierkübel: schmaler Holzkübel zur Buttererzeugung
durch Stampfen (Ho) (Foto).
13 Seiche: älteste Form in Zedlach: hölzerne Milchseihe,
in deren Bodenöffnung ein Wurzelbüschl als Sieb ein-
gelegt ist (Ho).
14 Melchsechter: Kübel zum Melken. Kleine Holzbutte
mit Handgritt für Milch und Schweinefutter (Ho).
15 Gatz: größere Kelle aus Kupfer und Eisen. Der Stiel
ist so geformt, daß die Kelle auch selber stehen kann
(Ob).
16 Maißhak: (Moashack) Hacke mit langem Stiel zum
Fällen der Bäume (Ho).
17 Zapin: zur Holzarbeit.
18 Denglzeig: zum Dengeln der Sensen. Schlagen der
Sensenschneide mit eigenem Hammer am Dengel-
stock; dazu: Wetzstein und Kumpf.
19 Dexl: eigentlich Dechsel; Krummhaue: Flach- und
Hohldechsel (Sprachbrockhaus).
20 Potting: Krautfaß.
21 Gäden: Speisekammer.
22 Straubenkeßl: Kessel, wo im Schmalz die Krapfen
mit weichem Teig (Strauben) herausgebacken wer-
den.
23 Plache: Zeltplane.
24 Daxbarte: zum Abschneiden von Nadelholzzweigen
(Taxen schneiteln) als Streu für den Stall.
25 Beutel: ein Beutel zum Kornmahlen (Ob) oder ein
zweigeteilter Backtrog (Sprachbrockhaus).
26 Schere für Wool: Wolle.
27 Saamstribich: eigene Holzbutte zum Säumen über
den Felber Tauern.
28 Kraze: Werkzeug zum Scharren und Kratzen
(Sprachbrockhaus).
29 Stagglstäbe: braucht man zum Heu und Straue ziehen
und zum Löcher für die Vorstecker machen, auch
beim Zäunen (Ob).
30 Erdenseil: siehe Erdengratten.
31 Rechen für die Blissen: gedörrte Nadeln von Nadel-
bäumen.
32 Kranebit: Wacholderbeeren.
33 Saamsattl: Pferdesattel zum Säumen.
34 Strohtruhe: Strohschneidebank (Ho 18b6).
35 Windmühl: scheidet vom Korn das Streu aus.
36 Bauzeig: Pflug, Egge.
37 Trischl: dient zum Dreschen; Teile: Stiel, Schwengl,
Drischlband.
38 Erdengratten samt Zeig: Erdspule, Erdenseil. Auf
steilen Äckern muß etwa alle 1 bis 3 Jahre die Erde
von der untersten Furche zur obersten geschafft wer-
den.
39 Brechl: Dient zum Brechen der gedörrten Flachs-
stengel. Nach der Ernte wird der Flachs mit einer ei-
sernen Riffl bearbeitet, dann gedörrt (Sonne und Re-
gen ausgesetzt). Wenn sich die Fasern zu lösen be-
ginnen, dann werden sie gebrechelt. Nun kann das
Haar versponnen werden. Es treten Haspel und Spul-
rad in Aktion (Ho 25a6 y).
40 Mistkrippe: ein auf Kufen aufgesetzter Korb (Ho).
41 Pira: Heubündel, das auf dem Rücken getragen wird.
42 Bachdese: ist ein rundes Schaff aus Fichtenholz, wo
man den Teig zum Brotbacken abgemacht hat. Die
Größe richtet sich nach dem Bachofen (Ob).
43 Kraxe: Traggestell aus Holz zum Tragen auf dem
Rücken (Foto!).
44 Pferdzeig: Kummet, Halfter, Striegel usw.
45 Vacation: leere Stelle.
46 Wopfner, Hermann: Das Tiroler Freistiftrecht. Ein
Beitrag zur Geschichte des bäuerlichen Besitzrechtes.
In: Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Ti-
rols und Vorarlbergs S. 295.
47 Übernahme ersichtlich aus Oberforcher Regesten,
Schloß Bruck.
48 Kolbitsch, Erwin: Bäuerliche Belastungen zur Zeit
der Grundherrschaft in Windisch-Matrei, Osttiroler
Heimatblätter 1/1997.
49 Mitteilungen von Herrn Anton Oberbichler.