Seite 1 - H_1998_07

Basic HTML-Version

Nummer 7/1998
66. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Ulrike Mayr
Ein Messer des 16./17. Jahrhunderts
aus Iselsberg-Stronach
*
Die Gemeinde Iselsberg-Stronach liegt
am Übergang vom Lienzer Talbecken ins
Mölltal. Der Ortsteil Iselsberg breitet sich
entlang der heutigen Großglockner-
Hochalpenstraße zum Iselsberger Sattel
aus. Stronach befindet sich hingegen an ei-
nem alten, heute nicht mehr benützten
Weg, der vom Talbecken aus über „Zwi-
schenbergen“ (einem Einschnitt zwi-
schen dem Stronacher Kogel und Eder-
plan) ins Mölltal führte.
Anfang der 60er Jahre entdeckte der
„Moarbauer“ Johann Tschapeller bei
Erdarbeiten für seine Bewässerungsanlage
in einem Feld unterhalb der Burgruine
Walchenstein in Stronach ein Messer mit
verziertem Messinggriff. Dieses dürfte in
nur geringer Tiefe gelegen sein. Dem Fin-
der fielen beim Bergen des Fundstückes
auch keine Besonderheiten im Boden auf.
1
Als die Autorin die Möglichkeit erhielt,
den Fund zu dokumentieren, hatte das
Ehepaar Tschapeller das Messer bei sich
zu Hause sorgsam mehr als 30 Jahre lang
aufbewahrt.
Beschreibung des Messers (Abb. 3)
Das Messer mit einer Länge von insge-
samt 18,7 cm hat ein Gewicht von 173,4 g.
Seine 9,2 cm lange, gedrungen wirkende
Eisenklinge ist durch die Bodenlagerung
teilweise verrostet. Auf der gesamten Klin-
ge sind Teile der Originaloberfläche ab-
geplatzt und aus der Schneide kleinere
Stücke ausgebrochen. Die Klinge, zum
Griff hin abgesetzt, mißt mit 2,3 cm un-
mittelbar hinter dem Griffansatz ihre größ-
te Breite. Die Schneide und der massive
Rücken sind schwach geschwungen.
Der Griff besteht aus zwei gegossenen,
figürlich verzierten Schalen. Der Hohl-
raum im Inneren dürfte durch einen Holz-
kern ausgefüllt gewesen sein, in den der
eiserne Klingenfortsatz eingebettet war.
Das Holz ist in einem sehr schlechten Er-
haltungszustand, Teile davon fehlen oder
bewegen sich lose im Inneren. Der Quer-
schnitt des Griffes ist rundlich. An den
sorgfältig geschlossenen Nahtstellen ist er
leicht abgeflacht. Das 4 mm große Loch an
der Unterseite des knaufförmig verbreiter-
ten Griffendes dürfte zur Befestigung ge-
dient haben.
2
In der Mitte der Knaufplatte
ist ein kleines Loch sichtbar. Die rundum
vorhandenen Rostspuren lassen den
Schluß zu, daß hier ursprünglich ein Niet
die eiserne Griffangel fixierte. Das Messer
dürfte längere Zeit in Gebrauch gestanden
sein, da die reliefierten Oberflächen des
Griffes stark abgegriffen sind.
Der Griff wurde im ICP-Spektrometer
3
des Neutechnikums Buchs (Kanton St.
Gallen, Schweiz) auf seine Metallzusam-
mensetzung analysiert. Es stellte sich her-
aus, daß es sich dabei um eine Kupfer-
Zink-Legierung, d. h. um Messing,
handelt. Im Metall nachgewiesene Rest-
anteile von Blei lassen auf Verunreini-
gungen des Erzes schließen.
Der Messinggriff befindet sich in her-
vorragendem Zustand. Er ist fast vollstän-
dig mit einer dunkelgrünen, fleckigen
Edelpatina überzogen. Nur an einigen win-
zigen Stellen leuchtet das goldfarbene
Messing hervor. Eine Restaurierung er-
übrigte sich daher. Hingegen war eine
Stabilisierung des Zustandes der
Eisenklinge unumgänglich, um ein weite-
res Oxydieren (Rosten) zu verhindern. So-
wohl Griff wie Klinge wurden mit einem
Schutzlack aus Paraloid überzogen, um sie
vor schädlichen Umwelteinflüssen zu
schützen.
Der Dekor des Griffes
Der Griff ist mit Menschen- und Tier-
darstellungen und pflanzlichen Motiven
verziert. Um diese Darstellungen plasti-
scher hervorzuheben, zeichnete der
Kunsthandwerker die Außenlinien und
Details mit gravierten Linien nach. Auf-
grund des abgegriffenen Zustandes er-
kennt man von den Gesichtern nur noch
grob die Umrisse. Feinheiten wie Haare,
Nasen oder Augen sind vollständig ver-
schwunden. Aufgrund dieses Umstandes
ist eine Interpretation der Figuren auf dem
Griff kaum mehr möglich.
Die leicht gewölbte Knaufplatte wird
von floralen Ornamenten umrahmt. Die
auf beiden Griffschalenhälften dargestell-
ten Figuren, die möglicherweise zu einer
gemeinsamen Szene gehören, werden an
den Enden je durch eine von akanthusarti-
gen Blättern umrahmte Palmette abge-
schlossen.
Um den oberen Teil des Griffes ziehen
sich über beide Seiten durch schwungvolle
Linien angedeutete Wolken oder Felsen.
Das zentrale Motiv auf der einen Seite bil-
det eine im Schritt dargestellte mensch-
liche Figur (Abb. 2). Ihr rechtes Bein ist
anmutig vor das linke gesetzt. Die Figur
scheint nur mit einem Mantel bekleidet zu
Abb. 1: Detailaufnahme mit der sitzenden
Figur in den Wolken oder Felsen.
Foto: HJ. Frommelt.