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das Leben in der Natur ist nicht
so leicht, wie es vielleicht
scheint. Es gehören auch der
Respekt vor der Wildnis und
eine enge Verbundenheit dazu.“
Elf Jahre verbrachten die beiden
gemeinsam, bevor sie ihn ver-
ließ: Ihre anfängliche Freude am
Leben draußen war erloschen.
An den Tovelsee
Es war an einem Herbsttag als
Fèro beschloss, an den Tovelsee
zu ziehen, um der einzige
„menschliche“ Bewohner dort
zu werden. Denn Bären gibt es
dort seit Menschengedenken.
Am See stand bereits ein Häus-
chen, dass er mit seinem Er-
sparten erwarb. „Ich wollte
noch mehr von der Wildnis
lernen. Dinge von denen selbst
die Beststudierten kaum mehr
Kenntnis erlangen. Meine
Werkhalle war der Lebensraum
der Bäume und Sträucher.“
Wenn sich Fèro in die Wälder
aufmacht, dann kleidet er sich
vornehm. So als stünde wichti-
ger Besuch an. Die Kleider sind
immer naturfarben, sein Hut
stets mit Blumen verziert. Doch
schon lange benutzt er kein Ge-
wehr mehr, „erkannte ich doch
mit einem Schlag, dass nicht
wir Menschen die Herrscher
über die Natur sind und die ent-
scheiden können, welcher Tiere
es in der Wildnis bedarf.“
Bekanntheit
Im Laufe der Zeit wurde Fèro
für seine Verbindung zur Natur
und zu den Pflanzen weit über
die Region hinaus bekannt. Er
zeigt Interessierten, wie man
vom gewöhnlichen Leimkraut
die jungen Triebe als Gemüse
zubereitet, vom Löwenzahn da-
gegen die jungen, leicht bitter
schmeckenden Blätter als Salat.
Dass die jungen Triebe und
Sprossspitzen des Hopfens sein
Wildspargel sind, die jungen
Blätter der Klette ein feines
Wildgemüse. Dazu kommen
noch Alpen-Milchlattich, Lauch,
Guter
Heinrich,
Wiesen-
Schaumkraut, Meerrettich und
vieles andere mehr. Fèro appel-
liert an Interessierte: „Dringt in
die Pflanze mit allen Sinnen ein!
Nur so gelangt ihr zu ihren Kräf-
ten.“ Auch weist er daraufhin:
„Wie giftig ist der größte Teil un-
serer Nahrung, gerade weil wir
das Bittere meiden. Die Men-
schen haben sich an süßen Ge-
schmack so gewöhnt, dass ihnen
das Bittere und Natürliche nicht
mehr mundet. Sie denken, dass
die Früchte der Wälder minder
gegenüber den hochgezüchteten
der Gewächshäuser sind.“
„Wir verjagen unsere
Pflanzen“
„Wir berauben unsere Heimat
der letzten Ursprünglichkeit. Wir
verjagen die einheimischen
Pflanzen, um Platz zu machen
für holländische Zuchterdbeeren,
neuseeländische Kiwis und ame-
rikanische Riesenheidelbeeren.
Wie weit wollen wir noch
gehen?“, so Fèro, der besonders
auch den Wert der Wildäpfel
oder der Kornelkirsche für sich
entdeckte. „Heute muss etwas
Gewinn bringen, um als geeignet
eingeschätzt zu werden. Was ist
die Folge? Unsere Gebäude sind
überdimensioniert, wir brauchen
unnötig viel Kleidung, wir essen
maßlos, wir verbrennen das Öl,
das Jahrmillionen in der Erde
lag. Welchen Gewinn bringt
eigentlich der Mensch der
Natur?“, fragt er sich.
Weltkulturerbe
Als 2009 die Dolomiten von
der Unesco zum Weltkulturerbe
ernannt wurden, regte sich in ihm
plötzlich ein starker Kampfgeist.
„Ich ahnte, dass unter dem Deck-
mantel des Naturschutzes die
Zerstörung einer gewachsenen
und einzigartigen Landschaft
lizenziert wurde. Es ging nie
darum, einen weiseren Zugang
zur Natur zu finden. Man wollte
eine Handhabe, um immer mehr
aus ihr herauszupressen.“ Fèro
wurde zum Alpenrebell und be-
gann die Tourismusindustrie und
die Oberflächlichkeit der Gesell-
schaft anzuprangern. Er erhob
überall wo er nur konnte seine
Stimme. Um die Menschen von
der stillen Schönheit der Wildnis
zu begeistern, wurde er außer-
dem zum Forscher und entdeckte
sogar neue Pflanzenarten. Sein
Aufbegehren war allerdings mit
hohen Geldstrafen und einer
Unzahl von Prozessen verbun-
den. Doch Fèro lässt sich bis
heute nicht erschüttern.
PORTRAIT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
NOVEMBER/DEZEMBER 2014
6
Zum Buch
Fèros Freund, der Naturkenner
Michael Wachtler aus Innichen,
begleitete den Mann der Wildnis
bei zahllosen Wanderungen durch
die Dolomiten. Gemeinsam dran-
gen sie immer tiefer in die Welt der
Heilkräuter, der Felsen und der
Versteinerungen ein und erlebten
die Kraft der unberührten Natur.
Unter dem Titel „Gebt der Wildnis
das Wilde zurück!“ – Ein Mann der
Berge kämpft für die Natur –
entstand eine reichlich bebilderte
Biographie über Fèro. Das Buch
enthält zudem 27 uralte Rezepte
aus traditionellem Bergwissen:
von der Heilkraft selbst hergestell-
ter Arzneimittel wie Arnikatinktur
bis zu Kräuterschnäpsen und dem
Zirbengeist. Es wird beschrieben
wie man Wildpflanzen sammelt
und wie man sich selbst versorgen
kann. Das 248-seitige Buch ist im
Verlag Franckh-Kosmos, Stuttgart,
erschienen. Preis: 20,60 €.
Zwei Freunde: Fèro
und Michael Wachtler
aus Innichen