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Oberkärntner
Volltreffer
28. juli 2014
CHRONIK
Meine
G
eschichte
„Mein neues Leben hat begonnen“
Im Vorjahr verließen Volker
Wallrodt (66) und seine Ehe-
frau Alice den Bezirk Lienz,
um nach Dellach im Drautal
zu siedeln. Drei Jahrzehnte
hatten sie mit ihren vielen
Tieren auf einem einsamen
Bergbauernhof verbracht.
„Der Pachtvertrag lief aus und
war nicht mehr verlänger-
bar“, erzählt Wallrodt. Nicht
alle Tiere konnte das Paar
mitnehmen – sehr wohl aber
zwei Pferde, acht Hunde, zwei
Hängebauchschweine,
Ha-
sen, einen Papagei und an-
deres Kleinvieh. Ihr neues
Heim befindet sich neben der
B 100 beim Ortsanfang. „Von
der Straßenseite aus schaut
das bereits alte Haus nicht
schön aus, aber von der an-
deren Seite ist es mittlerwei-
le sehr schmuck geworden“,
freut sich Wallrodt. Mit dem
Schwiegersohn brachte er das
Gebäude in Schwung. Auch
die zwei Enkelkinder Arline­
(20) und David (15) leben
nun in dem Haus. „Das Zu-
sammenleben
funktioniert
super“, strahlt der Opa, der
bereits in Pension ist. „Doch
die Pension ist zum Sterben
zu viel, zum Leben zu wenig“,
sagt er und arbeitet weiter.
Er könnte wohl ohnehin nicht
anders. Denn vor allem die
Musik ist sein Leben. Gemein-
sammit dembekannten Ostti-
roler Musiker Gabriel Forcher
tritt er immer wieder als Duo
auf – so auch am 3. August in
Steinfeld. „Ich habe die Rock-
Pop-Musik nach
Osttirol gebracht,
die es bis dahin
dort nicht gab“,
so Wallrodt, der
auch sehr viele
Musik- Events or-
gansierte und da-
durch in Osttirol
eine richtige Sze-
ne entstand. „Ich
bin meiner Mu-
siklinie treu ge-
blieben und ma-
che Musik wie
man sie heute
nur mehr selten hört (1970 bis
1990).“
Zuerst hieß er Götz
Wallrodt wurde im norddeut-
schen Sulingen geboren. „Mei-
ne Mutter gab bei meiner Ge-
burt an, dass ich Götz heiße.
Der Name war frei erfunden.
Sie war ja gerade mit meinem
Vater Helmuth auf der Flucht,
der ein überzeugter Nazi war
und natürlich Angst hatte (der
Krieg war ja zu Ende), dass ihn
die Russen massakrieren wür-
den.“ Volkers Eltern schlugen
sich in die Heimat der Mutter
durch – zu den Großeltern nach
Hollabrunn. „Toll war das nicht
für die Großeltern. Ihre Toch-
ter stand mit einem Feind in der
Tür. Und ich wusste gar nicht,
dass er mein Vater ist. Er wur-
de mir immer als Onkel vorge-
stellt.“ Wallrodt wurde dann
gleich ein neuer Familienname
verpasst, nämlich Etzler. Volkers
Vater/Onkel wagte sich 1954
der russischen Kommandatur
zu stellen. „Doch auf der Liste
mit den gesuchten Personen
stand er gar nicht drauf. Somit
passierte ihm nichts, und er ge-
stand mir, dass er mein Vater
sei. Er baute eine Holzbearbei-
tungsfirma auf, und ich erlernte
den Beruf des Holztechnikers.“
Etzler hieß Wallrodt auch dann
noch, als er seiner Alice vor dem
Traualtar sein Ja-Wort gab. „Ir-
gendwann kam der Wunsch von
meinem Vater, dass ich den Na-
men Wallrodt weitertragen soll.
Dafür musste er mich als Vater
offiziell anerkennen.“ Ein büro-
kratisches Theater begann, bis
er Anfang 1970 Wallrodt hieß.
Er und Alice waren mittlerwei-
le Eltern von Nicole und Lisbeth
geworden.
Schloss Bisamberg
bei Wien
Ehefrau Alice war ein Kind aus
reichem Haus. „Ihr richtiger Va-
ter war ein Kunst-Mäzen und
besaß eine Kunsttischlerei,
Gründe, Wohnungen und
vieles mehr. Doch eines Tages
erschlug man ihn. Die Mut-
ter lernte dann einen neuen
Mann kennen, der zum Stief-
vater von Alice wurde und
den Betrieb weiterführte. Er
sah sie als eigenes Kind an
und war extrem eifersüch-
tig.“ So konnte Wallrodt nicht
bei ihm landen. Dennoch zog
er zu Alice auf Schloss Bisam-
berg bei Wien. Die beiden
bauten einen Reitstall mit bis
zu 40 Pferden auf. „Wir hatten
lauter honorige Leute als Kun-
den. Doch der Vater verkaufte
über Nacht dann alle Pferde,
weil er nicht wollte, dass ich
darauf reite.“ Doch die bei-
den ließen sich letztendlich
nicht unterkriegen und bo-
ten sich bei Filmgesellschaf-
ten als
reitende
Komparsen
an. Danach machten sie wie-
der einen Reitstall auf – im
Raum Stockerau. „Dort pach-
teten wir einen alten Maier-
hof. Nach fünf Jahren kam der
Stiefvater von Alice und flehte
uns an, wieder heim zukom-
men. Wir kehrten zurück.
Doch der Terror begann von
Neuem.“ Wallrodt und seine
Ehefrau starteten dann letzt-
endlich in Osttirol neu durch.
Text und Fotos: Martina Holzer
Lange war Wallrodt in fernen Län-
dern unterwegs, um zu filmen.
Hier mit Tom Leder bei den Zaten.
Musik ist seine große Leidenschaft - meist tritt er
als Rock-Pop-Musiker im Duo auf.
Wallrodt mit Ehefrau Alice. Die beiden gingen seit jeher durch dick und
dünn.
Volker Wallrodt