Seite 28 - VP_2014_06

Basic HTML-Version

„Am Berghof:
Lebensgeschichten
unserer Vorfahren“
lautet der Titel des
kürzlich erschienenen
Buches von Hans
Rieder aus dem
Ahrntal. Dafür sam-
melte der 57-Jährige
in vielen Gesprächen
etliche berührende
Lebensgeschichten
ab dem Jahr 1900.
Hans Rieder ist Heimatkund-
ler und unterrichtet an der Mit-
telschule in Mühlbach Deutsch,
Geschichte und Geographie. Er
wuchs in Steinhaus auf dem
Bergbauernhof „Kugla“ (1.400
m) am Holzberg auf. „Ich war
das Neunte von 13 Kindern“,
erzählt er. „Früher waren die
Höfe nicht erschlossen. Auch
zu meiner Zeit noch nicht.“
Deshalb mussten Rieder, seine
Geschwister und Nachbarskin-
der stets zu Fuß eine Stunde
meist wenig. Aber wenn, dann
hat jedes Wort eine unglaub-
liche Tiefgründigkeit. Die Re-
dewendungen und Formulie-
rungen sind voller Lebens-
weisheiten. Die religiösen Ri-
tuale und die Volksfrömmigkeit
geben zudem Zeugnis eines tie-
fen Glaubens, der besonders in
schwierigen Zeiten Vieles ins
rechte Lot bringen musste und
heute noch muss.“ Für sein ak-
tuelles Buch erhielt er viele Bil-
der aus Privatbesitz.
„Sie schonen sich nicht“
„Den Alltag erträglicher zu
gestalten, das war für alle
Leute das oberste Lebensziel.
Dabei schonten sie sich nicht.
Denn anstrengende Arbeit von
früh bis spät war eine Selbst-
verständlichkeit. Und manch-
mal staunen selbst die ehemali-
gen Darsteller über die Härte
und Kargheit vergangener Zei-
ten“, hält Rieder fest.
In den vier Kapiteln des Bu-
ches werden die Frauenrollen
auf dem Hof und im bäuer-
lichen Leben beschrieben, ver-
lang in die Volksschule Stein-
haus marschieren. „Besonders
im Winter war der steile Weg
sehr beschwerlich. Denn er war
eisig.“
Berührende
Vergangenheit
Der zweifache Vater (zwei
Söhne) lebt in Luttach und ent-
deckte durch seinen Lehrberuf
sein großes Interesse am einsti-
gen Leben der „kleinen Leute“
in seinem Tal, an Auswirkungen
der Geschichte auf deren Da-
sein. „In der Schule führten wir
kleine Projekte durch, bei denen
Zeitzeugen befragt wurden.
Dabei entflammte aber nicht nur
mein Interesse, sondern auch
jenes der Kinder. Die Geschich-
ten der Zeitzeugen berührten
sehr.“ Zehn Jahre lang war Rie-
der dann auch Hauptredakteur
des Ahrntaler Gemeindeblattes,
„in dem ich gerne Geschichten
über das Leben unserer Eltern
veröffentlichte“, erzählt Rieder.
Er machte sich dann auch
daran, Bücher über das einstige
Leben der Ahrntaler zu verfas-
sen.
Viele persönliche
Interviews
So erschien das erste Buch
2012 unter dem Titel „Das
Tagewerk – Leben und Arbei-
ten am Bauernhof“. Das zweite
Buch „Am Berghof: Lebensge-
schichte unserer Vorjahren“,
stellte er kürzlich vor. Was Rie-
der immer wieder beeindruckte
waren die Aussagen seiner In-
terviewpartner. „Sie reden
schiedene Dorfgeschichten er-
zählt, die in den einzelnen
Orten des Ahrntales besonderen
Eindruck hinterließen.
CHRONIK
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JUNI/JULI 2014
28
„Das Schicksal oder Gott hat
es so gewollt“, sagt die Mutter
und Bäuerin, wenn sie auf ihr
Leben zurückblickt.
Sie führt uns in eine Zeit, in
der der Erste Weltkrieg alles
verändert, ihren Mann, den
Bauern Balthasar Rieder an die
Dolomitenfront ruft, von der er
nicht mehr zurückkehren sollte.
So bleibt sie allein mit den Kin-
dern, dem Hof und mit all der
Verantwortung, die sie einmal
gemeinsam tragen wollten: die
Bäuerin und der Bauer vom
Berghof.
Es ist dies die Geschichte von
Magdalena
Rieder,
der
Kuglbäuerin, die mit Beginn
des Ersten Weltkrieges die al-
leinige Verantwortung auf dem
Hof übernehmen muss. So wie
andere Frauen auch, trifft sie
die Grausamkeit eines Krieges,
der viele Familien in Trauer
und in einen regelrechten Über-
lebenskampf treibt. Doch das
Leben muss weitergehen! Die
Kraft einer Hofgeneration darf
nicht ausgehen, denn Hofleute
geben nie auf.
Der Abschied von daheim
fällt dem jungen Soldaten beim
Einrücken (der Einberufung
an die Front) zunächst nicht
schwer, denn, was es heißt, in
den Krieg zu ziehen, ist damals
wohl niemandem bewusst: „In
ein paar Tagen bin ich zurück“,
soll der Bergbauer gesagt
haben, als er die Kraxe (Trag-
vorrichtung zum Einbringen
des Bergheues) im Sommer
1914 oben in der Bergwiese zur
Seite legt, obwohl die Heumahd
noch zu beenden ist.
Die Zeit seiner Abwesenheit
wird lang und länger: Ein War-
ten, ein Hoffen und ein Bangen
beginnen. Wie oft mag die
Bäuerin gebetet haben, dass ihr
Mann bald und gesund nach
Hause kommt. Vier Jahre lang
Das Schicksal
Eine Bergbäuerin bleibt
allein zurück
In den ersten Junitagen erreichen die Bauersleute mit ihrem Vieh
die Almen. Jetzt hoffen sie auf einen guten Almsommer.
Eine der Geschichten
im Buch „Am Berg-
hof: Lebensge-
schichte unserer Vor-
jahren“ beschreibt
das Schicksal einer
Bergbäuerin. Autor:
Hans Rieder
Ahrntaler immer auf der Su