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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
68. Jahrgang –– Nummer 5
Herzogtum Kärnten. Der Grafschaftsteil im
Süden, der noch den Namen beibehielt,
stärkte die Position der Habsburger gegen-
über Venedig. Mit der Erwerbung der Graf-
schaft Görz ging den Habsburgern ein
nahezu 170 Jahre alter Wunsch in Erfül-
lung. – Es darf also nicht vergessen werden,
dass Lienz und ein großer Teil des heutigen
Bezirks Lienz heuer die fünfhundertjährige
Zugehörigkeit zu Tirol feiern.
Maximilian hatte allen Grund, zur „Ge-
dechtnus“ des letzten Görzers bzw. des
letzten Herrscherpaares aus dem Haus Görz
beizutragen. U. a. ließ er Leonhard ein
prunkvolles Hochgrab errichten, stiftete
einen Altar und eine Jahrtagsmesse für das
Seelenheil von Leonhard und Paola.
Venedig konnte nicht verschmerzen, die
Stadt Görz und die Grafschaft im Süden
nicht bekommen zu haben. Der Übergang
der Grafschaft Görz an die Habsburger war
schließlich eine der Mitursachen des großen
Venedigerkrieges der Jahre 1508 bis 1516.
Görzer Geschichte ist ein Teil der Ge-
schichte Tirols und Österreichs, wohl wert,
sich damit zu befassen und darüber hinaus
mit einem kulturgeschichtlichen Zeitbild
um 1500, das den Lienzer Ausstellungsteil
mit Castel Beseno und Brixen verbindet.
Der heutige Festakt ist eigentlich nicht
ausschließlich eine Ausstellungseröff-
nung, sondern er besitzt in gewisser Weise
auch politischen Charakter:
Wer erinnert sich heute offiziell daran,
dass vor 500 Jahren die Grafschaft Görz
mit Österreich vereinigt worden ist? „Die-
ses Jubiläum“ – so formuliert es der Nestor
der Görzer-Forschung im 20. Jahrhundert
und Biograph Kaiser Maximilians I., Pro-
fessor Hermann Wiesflecker – „ist wie der
Anschluss des Landes Kärnten (1335) oder
der Anschluss des Landes Tirol (1363) ein
großes gesamtösterreichisches Ereignis
und Anlass für einen feierlichen Staatsakt
…“ (Brief vom 30. Oktober 1998).
Auf jeden Fall dürfte die heutige Feier –
wenn auch kein Staatsakt – wohl das ein-
zige Gedenken des einst bedeutenden Er-
eignisses der österreichischen Geschichte
sein und dies sinnvollerweise in Lienz. Ma-
ximilian, ein typischer „uomo universale“
der Zeit des Umbruchs um 1500, war „Ge-
stalter des frühmodernen Staates in Öster-
reich“ (Wiefl., Maximilianeum) und die
Grafschaft Görz leistete hiezu einen nicht
unwesentlichen Beitrag.
So gesehen ist der Tod Graf Leonhards
nicht bloß das Ende eines kleinen Grafen
im fernen Lienz, sondern der Tod des Gör-
zer Landesfürsten war ein Ereignis von
staatspolitischer Bedeutung.
Noch ein Wort zur Görzer-Rezeption, die
bis heute nachwirkt, nicht nur in Stadt und
Provinz Görz, wo eine in der Zeit der Gör-
zer Herrschaft aufgebaute Identität bis
heute fortwirkt und gepflegt wird.
Die Görzer gehören irgendwie auch zur
Identität des Pustertales, speziell natürlich
des Bezirks Lienz mit der ehemaligen Re-
sidenz. Hier ist das ehemalige landesfürst-
liche Geschlecht irgendwie präsent, sei es
in Bilddokumenten wie hier in der
Schlosskapelle, im Grabdenkmal in
der Stadtpfarrkirche, in zahlreichen W
appendarstellungen oder in überlieferten
Sagen.
Diese Vergangenheit klingt teils im Be-
wusstsein, teils auch bloß im Unterbe-
wusstsein der Bevölkerung nach, auf einen
einfachen Nenner gebracht: Wir waren
wer! Eine Hauptstadt mit eigener Anzie-
hungskraft und Ausstrahlung, mit eigenen
Landesfürsten, mit einer Residenz, einer
Regierung, ja, und sogar mit einem
(Landes)hauptmann, der den Fürsten bei
Abwesenheit vertreten hat. – Lienz war
mit Meran, Innsbruck, Brixen und Trient
eine der fünf Residenzstädte auf dem
Boden Alt-Tirols.
Wenn manchmal „Extravaganzen“ der
Osttiroler geortet werden, dann kann man
entgegnen, dass hier das alte Selbstbe-
wusstsein mitschwingt, dass dies aber nicht
einmal mit einer verbalen Separierung
etwas zu tun hat, sondern ausschließlich ein
Teil des geistigen Selbstbehauptungswil-
lens des Bezirkes ist – und dies kann wohl
nichts Negatives sein?!
Der Lienzer Beda Weber, der heute noch
geschätzte Topograph Alt-Tirols, hat in sei-
nem Werk „Das Land Tirol“ im Jahr 1838
Schloß Bruck, die jahrhundertelange
Residenz der görzischen Dynastie, treffend
charakterisiert als – „eines [regierenden]
Fürsten würdig“.
Ich würde mir wünschen – und dies sage
ich auch im Namen meiner Kolleginnen
Frau Dr. Eleonore Gürtler und Frau Dr.
Claudia Sporer-Heis, die wir für das wis-
senschaftliche Konzept und die Objektaus-
wahl verantwortlich sind, und im Namen
des eingangs genannten Aufstellungs-
teams, dass Sie, meine Damen und Herren,
die Ausstellung als dem Ausstellungsort
kongenial empfinden mögen, d. h., würdig
des fürstlichen – und ungleichen – Paares
Leonhard und Paola.
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2a.
Beim bunten Treiben mit Volksfestcharak-
ter war auch für leibliche Genüsse ent-
sprechend vorgesorgt.
Fotos: pram
Im Rahmen der Eröffnung der Landesausstellung ist das Fest im Schatten der Görzer Re-
sidenz zu sehen, zu dem die Stadt Lienz die Bevölkerung am folgenden Tag eingeladen hat.
An die Kinder hat man in besonderer Weise gedacht, die durch Spiele, Gaukler, Zaube-
rer und Spaßmacher unterhalten werden.