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CHRONIK
PUSTERTALER VOLLTREFFER
AUGUST/SEPTEMBER 2012
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rund 150 Meter vom Trauerzug
entfernt, um nochmals das
Schicksal seines Bruders Pius in
Erinnerung zu rufen. Vor 30 Jah-
ren wurde Pius Walder im Alter
von 30 Jahren beim Wildern er-
schossen. Der Fall erregte inter-
nationales Aufsehen.
Beim Prozess 1983 am Lan-
desgericht Innsbruck wurde der
Villgrater Jäger allerdings nicht
wegen Mordes, sondern wegen
Körperverletzung mit tödlichem
Ausgang angeklagt und zu einer
unbedingten Freiheitsstrafe von
drei Jahren verurteilt. „Doch be-
reits nach eineinhalb Jahren
wurde er wieder entlassen“, so
Walder. Was ihn beim Begräbnis
neben den vielen Weidmän-
nern, die den Villgrater zur letz-
ten Ruhe begleiteten, besonders
erzürnte: „Pfarrer Josef Mair
verweigerte die 25. Jahrestags-
messe für Pius, zelebrierte aber
die Messe des Jägers.“
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Als Walder beim Begräbnis
vor Ort war, wachten vier Poli-
zeibeamte über ihn. „Obwohl
uns niemand verständigte,
schickten wir proaktiv Beamte
zum Begräbnis, die auf Hermann
Walder einwirken sollten, damit
er von weiteren Impulsen Ab-
stand nimmt“, so Obstlt Silvester
Wolsegger, Chef der Osttiroler
Polizei. Allerdings wird jetzt
gegen Walder wegen Verdachts
auf „Ruhestörung einer Bestat-
tungsfeier“ ermittelt. Walder
schreibt hingegen einen Brief an
den Heiligen Vater nach Rom.
Innervillgraten wünscht
sich Frieden
Es stimmt mich zutiefst traurig, ja ich
bin erschüttert, dass es 30 Jahre nach
dem tragischen Tod von Pius Walder
noch immer keinen Frieden bei dessen
Bruder Hermann gibt. Dies hat sich so-
eben beim Begräbnis des verstorbenen
Todesschützen Johann Schett am
23. Juli gezeigt. Sein Vorwurf an mich
lautete kurz zusammengefasst: Für den
Mörder feiert der Pfarrer eine Messe, für
das Opfer, seinen Bruder Pius, aber
nicht. Dazu möchte ich feststellen und
sagen: So einfach gesagt, stimmt das
nicht!
Als ich vor fast 20 Jahren als Seelsor-
ger nach Innervillgraten kam, habe ich
mir vorgenommen, aus Respekt gegen-
über den Betroffenen – Angehörigen und
Jägern – über diese Angelegenheit rund
um Pius zu schweigen. Allerdings habe
ich immer gerechnet, dass jemand von
den Angehörigen bald kommen wird, um
mit mir zu reden. Aber nichts dergleichen
geschah. Ich habe mir schon viele
Gedanken gemacht, was ich machen
könnte, um einen Friedensprozess in die
Wege zu leiten. Dann – wenige Tage vor
dem 8. September 2007 – dem 25. To-
destag von Pius – läutete das Telefon. Es
meldete sich Hermann Walder mit der
kategorischen Aufforderung, ich möchte
am Samstagnachmittag in Kalkstein die
Gedenkmesse für Pius feiern. Ich fühlte
mich völlig überrumpelt, da es bei uns
üblich ist, dass sämtliche hl. Messen zeit-
lich so bestellt werden, dass sie auch im
Pfarrblatt veröffentlicht werden können.
Außerdem werden in Kalkstein am
Samstag keine regelmäßigen Messen
gefeiert. Ich habe im Gespräch meine
persönliche Gemütslage mitgeteilt:
„Wenn dem bedauernswerten Opfer die
Worte ,kaltblütig und gezielt beschossen‘
auf dem Grabstein mitgegeben werden,
klingt das alles andere als versöhnlich.
Da tue ich mir schwer, das Opfer der Ver-
söhnung zu feiern.“ Ich habe nicht
gesagt, dass ich von vornherein eine hl.
Messe für Pius ablehnen würde. Diese
meine Worte erregten so sehr den Unmut
und Ärger bei Hermann Walder, dass er
sich gar nicht mehr um mein seelsorgli-
ches Anliegen interessierte, sondern mir
mitteilte, dass er sich nun einen anderen
Priester suchen müsse, was dann be-
kanntlich auch geschah. Nach dieser
Gedenkmesse sind im Friedhof Flug-
blätter mit Angriffen auf Justiz und Kirche
verteilt worden. So hätte ich mir diese
Messe nicht gewünscht. Ich hätte mich
missbraucht gefühlt.
Ich möchte noch erwähnen, dass ich
beim Begräbnis gesagt habe, dass ich
mir kein Recht anmaße, ein Urteil über
den Verstorbenen zu fällen, dass jeder
der Barmherzigkeit Gottes bedürfe und
dass auch der Verstorbene hoffen darf.
Die ganze Gemeinde wünscht sich nichts
sehnlicher als den Frieden im Dorf. Die
christliche Botschaft ist eine Botschaft
des Friedens, der ich mich als Priester
verpflichtet habe. Diesen Frieden Gottes
wünsche ich speziell dem Bruder von
Pius. Als Zeichen des guten Willens von
meiner Seite werde ich am Sonntag,
9. September, um 10 Uhr in der Pfarr-
kirche von Innervillgraten zum 30. Jahr-
tag von Pius eine hl. Messe für den Ver-
storbenen und dessen Angehörige feiern.
Dekan Josef Mair, Innervillgraten
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„Leserbriefe“ sagen die Meinung
des unterfertigten Verfassers aus,
die sich nicht mit der Auffassung
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25.08. - 15.09.2012
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Hermann Walder: „Ich kann weiterhin nicht vergessen.“
Foto: Martina Holzer
Der „Kampf gegen die
Ungerechtigkeit“ ist für
Hermann Walder auch
nach dem Tod jenes
71-jährigen Villgraters, der
seinen Bruder Pius vor
30 Jahren erschossen hat
und unlängst zu Grabe
getragen worden ist, noch
lange nicht zu Ende.
„Denn der zweite Jäger, der
damals bei der Tötung meines
Bruders dabei war, lebt noch und
wurde überhaupt nie angeklagt.
Solange die Behörden so arbei-
ten, kann ich nicht vergeben. Der
Schmerz sitzt viel zu tief“, gibt
sich Hermann Walder unver-
söhnlich. Beim Begräbnis des
mutmaßlichen Todesschützen
stand er am 23. Juli mit einer be-
schrifteten und bebilderten Tafel
Walder führt seinen Kampf weiter