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Nummer 11 – 71. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Patriasdorfer Schulhaus untergebracht,
mit 1. Jänner 1954 die Leitung, die auch
nur ca. ein Jahr währte, denn er ging nach
Klagenfurt.
In verantwortungsvoller Weise hat Dr.
Hans Blecha, der die VHS-Idee nach
Lienz gebracht hatte, sich verpflichtet ge-
fühlt, die an sich sehr positiv angelaufene
Arbeit zu retten und eine neue Führung zu
suchen. – Es war eine sehr gute Idee, die
kulturell engagierte Lienzer Gemeinde-
rätin Anna Waldeck anzusprechen.
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Frau
Waldeck, von 1950 an durch drei Perioden
bis 1968 als Gemeinde- und auch Stadträ-
tin, Obfrau des Museumsausschusses und
ebenfalls im Kulturausschuss tätig, leitete
die VHS Lienz von 1955 bis 1983, also
durch 28 Jahre.
Nach ihren Aussagen verstreicht allge-
mein eine gewisse Einführungszeit, bis
etwas Neues institutionalisiert ist. Gerade-
zu einen Wendepunkt bedeutete dies-
bezüglich in Frau Waldecks anfänglicher
Tätigkeit die Aufführung eines Films über
Albert Schweitzer durch die VHS im da-
mals noch bestehenden Kino Linder in der
Schweizergasse.
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– Der Saal sei voll, der
Film zwar technisch katastrophal, aber der
Inhalt äußerst interessant gewesen. Die
Masse der Besucher fand über diese Ver-
anstaltung einen Anknüpfungspunkt zur
VHS, überwand die teils offenbar ge-
gebene „Schwellenangst“ und nahm diese
Institution nun voll an, wobei dann auch
die positive Mundpropaganda zur Breiten-
wirkung beigetragen haben dürfte.
Es sind auch noch Namen von Kurslei-
tern aus den frühen Jahren der Lienzer
VHS überliefert:
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Neben der schon ge-
nannten Frau Dellacher wirkten z. B. Prof.
Paulowitsch in Englisch und Atomwissen-
schaften, Dr. Lerpretty in Französisch, Alt-
Bürgermeister Emil Winkler in Russisch.
Prof. Josef Manfreda gab Kurse in Zeich-
nen, Prof. Höfferer in Buchhaltung, Frau
Sponder bemühte sich mit dem Kurs
„Keine Angst vor Symphonien“ um Begeis-
terung für klassische Musik, Frau Genger
hielt Kochkurse ab. Für die damalige Zeit
leistete die Lienzer VHS geradezu Pionier-
arbeit bezüglich der Abhaltung von Judo-
kursen oder Englischkursen für Kinder im
Vorschulalter durch Grete Unterasinger.
Dies soll übrigens der einzige Sprachkurs
gewesen sein, der bei Beendigung mehr
Teilnehmer zählte als zu Beginn.
Das Bildungsangebot konnte ein-
drucksvoll gesteigert und jeweils aktuellen
Bedürfnissen angepasst werden mit einer
Vielzahl von Kursen, Vorträgen, Semina-
ren, Dichterlesungen, Konzerten, Exkur-
sionen und selbst Lienzer Stadtführungen.
Der Autor erinnert sich, an einer VHS-
Veranstaltung erstmals um 1958 in der da-
mals beliebten Veranda des Gasthauses
„Rose“ in der Rosengasse teilgenommen
zu haben. Es war eine vorweihnachtliche
Veranstaltung mit besinnlichen Dichtun-
gen und Gesang mit Klavierbegleitung.
Bezeichnend für Frau Waldeck und ihre
objektive Bildungsvermittlung war, dass
sie – ihre weltanschauliche Einstellung
war allgemein bekannt – überhaupt eine
„christliche“ Veranstaltung durchgeführt
hat und dass sie weiters in ihrer Einbe-
gleitung Worte von allgemeiner Gültigkeit
zum geheimnisvollen „Weihnachtsge-
schehen“ gefunden hat.
Die VHS greift seit jeher immer wieder
auch aktuelle Themen auf. Dies war z. B.
in Lienz der Fall, als das ehemals heiße
Thema Kalser Kraftwerk oder National-
park aufgegriffen wurde.
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In Lienz und
Sillian verlief die Information durch Dr.
Marius Baumann von der Bezirkshaupt-
mannschaft völlig emotionslos, in Matrei
aber, wo man sich zu den unmittelbar Be-
troffenen zählen musste, verlief die Ver-
anstaltung etwas anders. Frau Waldeck und
Dr. Baumann wurde bereits am Weg zum
Veranstaltungslokal angekündigt:
„Auf
euch warten sie schon, da werdet ihr etwas
erleben.“
Im Vortragsraum hatten sich als
damalige Nationalparkgegner neben Ma-
treiern auch Prägratner und Kalser einge-
funden. Die Atmosphäre soll geradezu ge-
knistert haben. Vortrag und nachfolgende
hitzig geführte Diskussion dauerten zwar
bis nach Mitternacht – aber es wurde doch
niemand umgebracht!
Eine interessante Initiative – auf die
Anna Waldeck mit Recht stolz blickte –
war die Veranstaltungsreihe „Der gute
Film der VHS“ an Sonntag-Vormittagen.
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Mit dem Einzug des Fernsehens im Bezirk
Lienz im April 1963 verlor diese Reihe an
Attraktivität wie überhaupt zunächst ein
Einbruch in den Teilnehmerzahlen bei
Kursen und Vorträgen zu verzeichnen war.
Die Leiterin verlor aber nicht den Mut! Sie
war sich bewusst, dass alles Neue auch ein-
mal an Reiz einbüßt, hat aber dennoch das
Veranstaltungsprogramm umgeschichtet.
Nun standen mehr die Exkursionen im
Vordergrund. – Es ist natürlich etwas be-
sonderes, live dabei zu sein beim Besuch
von Kunstschätzen in Museen, Kirchen,
Burgen und Schlössern, Künstlerateliers,
Wirtschaftsbetrieben oder auch land-
schaftliche Reize unmittelbar zu erleben.
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In der sicherlich richtigen Überzeugung,
dass das Kulturgut der engeren Heimat
relativ wenig bekannt, da einfach zu
selbstverständlich ist, wurden Fahrten im
Lienzer Talkessel und in die verschiede-
nen Täler des Bezirks unternommen,
wobei der Autor vielfach als Reiseleiter
fungierte. Die Veranstalterin hatte voll er-
kannt, wie wichtig es ist, eine innere Be-
ziehung zur näheren und weiteren Heimat
durch ihr Kennenlernen zu erreichen.
„Heimat“ beinhaltet etwas Vertrautes, Be-
kanntes, wo man sich auskennt und wo
man sich dann eben wohlfühlt. – Übrigens,
heute in der Zeit der Globalisierung ist
dies noch notwendiger denn je!
Geographisch weiter ausholend, führten
einige Fahrten nach Südtirol, in das westli-
che Pustertal mit Bruneck, Burg Rodeneck,
der Mühlbacher Klause, in das Eisacktal
mit der Bischofsstadt Brixen, der romanti-
schen Stadt Klausen und dem „Heiligen
Berg Tirols“, Säben, als Höhepunkten.
Es wurden Bozen und Gries mit dem be-
rühmten Altar von Michael Pacher be-
sucht, das Burggrafenamt, die ehemalige
Hauptstadt Tirols, Meran, und Schloss
Tirol; die Lienzer VHS drang bis in den
Vinschgau vor.
In östlicher Richtung wurden „Erkundi-
gungsfahrten“ in das Nachbarland Kärnten
unternommen, das gerade in Bezug auf das
Mittelalter über die Grafen von Görz und
die spätgotische Kunst enge Beziehungen
zum Bezirk Lienz aufweist.
Über die historische Verbindung der
Grafen von Görz fuhr man nach Friaul und
besichtigte Cividale, Görz, Aquileia,
Grado, Udine. – Relativ weit entfernte man
sich von Lienz mit der kulturgeschichtlich
äußerst interessanten Reise nach Venedig.
Hadwig
Walch be-
dankt sich
beim Ab-
schied
vom Isma-
niger
Stausee
für die vo-
gelkundli-
che Füh-
rung bei
Prof. Wal-
ter Wüst
(Mün-
chen), am
3. Mai
1986.
Foto:
Alois
Heinri-
cher
Hadwig Walch, Leiterin der VHS Lienz
von 1983 bis 2000.
Foto: Menzel