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In unterhaltsamer Weise, gewürzt durch
so manche Anekdote, beschreibt er den
Dienst der Cassianisten als Chorknaben
und Sänger, den Unterricht in der Schule,
die Freizeitgestaltung und nicht zuletzt
seine Lehrer. Unter diesen gab es hervor-
ragende Persönlichkeiten, wie z. B. den
Lateinlehrer Joachim Trattner, den Mathe-
matikprofessor Karl Meusburger, den
Historiker Hartmann Ammann, die alle-
samt auch wissenschaftlich tätig waren
7
,
sowie den Religionslehrer Anselm Giner,
nachmals Stiftspropst in Neustift. Die
Leitung des Domchores hatte damals
Ignaz Mitterer über, der seinen Dienst mit
ganzer Hingabe erfüllte:
„ ‚Die Weltkugel’
hieß er wegen seiner körperlichen Fülle;
in den Querfalten des Talars fanden sich
immer einige Stäubchen Schnupftabak.
(…) Er tat viel für unsere Stimmbildung
und für die deutliche Aussprache. ‚Ho-
sanna in
exc
elsis’, besonders aber ‚qui
t
ol-
lis pecca
t
a mundi’. Noch heute tut es mir
weh in den Ohren, wenn ein berühmter
Chor singt ‚qui
d
ollis pecca
d
a…’ (…) Ge-
sungen wurden meistens Messen von Mit-
terer und Goller. An ganz hohen Festen
(…) [wurden] als Verstärkung für die
Oberstimmen Sängerinnen vom Pfarrchor
beigezogen (…), sehr zum Missvergnügen
von uns Bubensopranen und -alten. Die
Damen versuchten wohl, uns mit Zuckerln
zu versöhnen, womit wieder der Kapell-
meister nicht einverstanden war. Es konnte
vorkommen, daß er mit seinem Taktstock
wütend die Zuckerln, die auf den Noten-
pulten lagen, wegfegte.“
In einer 1980 erschienenen Studie, die
sich mit der Geschichte der Wissenschafts-
pflege am Brixner Gymnasium befasst,
schreibt Unterkircher über die Bedeutung
der Lehrer, womit er zweifellos auch seine
eigenen meinte:
„(…) als Zeugnis für
erfolgreiche Wissenschaftspflege eines
Klosters und einer Schule [können] nicht
nur die gedruckt vorliegenden Arbeiten
gelten, sondern mehr noch die Menschen,
die von ihren Lehrern geformt wurden,
denen sie die grundlegenden Kenntnisse
und Interessen für ihre Lebensarbeit ver-
danken.“
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Unter den jüngeren Absolventen
dieser Schule zählt Unterkircher auch seine
Osttiroler Landsleute Andreas Rohracher,
den späteren Erzbischof von Salzburg, den
Komponisten Ignaz Mitterer, und den
„Philologen und Verfasser von Grie-
chisch-Lehrbüchern“ Valentin Hintner auf
9
.
Als Unterkircher maturierte, gehörte
Südtirol bereits zum Königreich Italien.
Bemerkenswerterweise wurde aber das
österreichische Lehrplan- und Notensys-
tem noch bis zur siebenten Klasse beibe-
halten.
„Das Leben im Cassianeum wurde
von den neuen Verhältnissen überhaupt
nicht verändert“,
schreibt Unterkircher
10
.
Seine Bilanz über die Brixner Zeit fällt
durchaus positiv aus:
„Der Unterricht war
streng, aber erfolgreich. Im Verlauf der
Studienjahre wurde tüchtig ausgesiebt
(…). Es gibt viel Literatur über das Inter-
natleben, meist in den düstersten Farben,
über Schülertragödien, zerbrochene Ju-
gendliche, sadistische Erzieher. Im Cassia-
neum haben wir nichts davon verspürt.
(…) Wenn jemals ein Institut dem Ideal
nahe gekommen ist, so war es das alte
Cassianeum, das nach 1922 noch ein paar
Jahre weiter bestand, dann aber unmerk-
lich verlöschte.“
Es waren vor allem die geisteswissen-
schaftlichen Fächer, die Unterkircher
schon früh schätzen gelernt hat: Neben der
Musik und der Kunst hatten es ihm Latein,
aber auch die Theologie angetan. Nach der
Matura am 1. Juli 1922
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begann er in Inns-
bruck imWintersemester 1922/23 zunächst
mit dem Studium der Rechte, wechselte
allerdings im Wintersemester 1923/24 an
die Katholisch-Theologische Fakultät.
Während seines Studiums – Unterkircher
war auch Mitglied der katholischen Stu-
dentenverbindung Tirolia und erhielt den
Pennälernamen „Laurin“
12
– wohnte er bei
seinem Vater, der inzwischen Lehrer in
Rum bei Innsbruck geworden war
13
.
Bereits 1925 schloss er das Studium der
scholastischen Philosophie am Institutum
Philosophicum Oenipontanum mit dem Dr.
phil. schol. ab
14
. Dieses Studium war aller-
dings nicht staatlich, weshalb im Inns-
brucker Universitätsarchiv darüber auch
keine Aufzeichnungen vorhanden sind
15
.
Unterkircher selbst schreibt in seinem
Lebenslauf:
„Zur Verleihung dieses Gra-
OSTTIROLER
NUMMER 1-2/2005
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HEIMATBLÄTTER
St. Jakob um 1900. Rechts von der Pfarrkirche das Handelhaus, ehemaliges Verwaltungs-
zentrum der Bergwerke, links von der Kirche das alte gemauerte Schulhaus (vorne). Es
wurde 1888 erbaut und 1999 abgerissen (Archiv Heinz Kröll).
Hochzeitsbild der Eltern von Franz, Vinzenz
Unterkircher und Marianna, geb. Paßler
(vulgo Jagareith Nandl), 1889. Photogra-
phie von Josef Ladstätter.
Franz Unterkircher als Kleinkind. Photo-
graphie des Deferegger Photographen
Josef Ladstätter, vulgo Kofler Sepp (1845-
1925).