Seite 8 - H_2005_07-08

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Verhalten konnte durch eine Brutaktivität
erklärt werden. Das Weibchen gesellte sich
erst kurze Zeit später zu dem Männchen.
Es war stumm und hatte eine Spinne im
Schnabel.“
Bei einer eigenen Beobachtung am
5. Juli 2001 ließ das Männchen von einer
kleinen Esche am Wegrand sein langes,
mehrere Minuten andauerndes Warnen
hören, während ich mit einem Bekannten
in kaum zehn Meter Entfernung redete. Es
flog in die hohen, dichtbelaubten Eschen
unterhalb des Weges, wo es bald mit
einem zweiten Vogel zusammen zu sehen
war. Eine weitere Beobachtung erfolgte
am 7. Juli: Bachler, Moritz und Hofmann
waren ebenfalls durch den Erregungsruf
auf den Brutplatz aufmerksam geworden
und konnten längere Zeit zwei Sperber-
grasmücken (wahrscheinlich ein Weibchen
und einen Jungvogel) beobachten. Tags
darauf konnte an der selben Stelle eine
erwachsene Sperbergrasmücke zunächst
im Flug beobachtet werden. Sie flog zur
benachbarten Baumgruppe und ließ sich
in etwa drei Meter Höhe bei einem sitzenden
Jungvogel (Brust ungebändert, beigegrau;
dunkle Iris) nieder. Von einer weiteren
Beobachtung in den nächsten Tagen
berichtete Leo Kranebitter: Während ein
Altvogel Futter von den Eschen zur Hecke
trug, warnte dort eine andere Grasmücke.
Bachler und Moritz notierten des weiteren
zwei Grasmücken im Schlichtkleid in den
hohen Eschen. Leo Kranebitter holte im
Oktober das Nest aus der Schlehdorn-
hecke. Es war ein typisches Grasmücken-
Nest mit lockerem, dünn geflochtenem
Boden.
Bemerkenswert für diesen Brutplatz
einer Sperbergrasmücke ist die unmittel-
bare Nähe eines besetzten Neuntöter-Nes-
tes in einer ähnlichen Hecke. Auf ornitho-
logischen Tagungen wurde schon mehr-
mals auf diesen Sachverhalt hingewiesen:
Die Sperbergrasmücke brütet meist in Bio-
topen, in denen der Neuntöter Charakter-
vogel ist!
Frühere Beobachtungen
in den Thurner/Oberlienzer
Feld- und Steinriegelfluren
Ganz unerwartet kam die Entdeckung
nicht, denn seit 1980 gab es in diesem
Lebensraum mit den fruchtbaren Feldfluren
und den zahlreichen Hecken, Feldmauern,
Baumreihen und Waldinseln schon einige
mehr oder weniger sichere Beobachtungen:
1980, während der „Monticola“-Tagung
in Oberlienz (5. bis 8. Juni)
1994: auf einer Exkursion im Rahmen
der Bird-Life-Tagung in Lienz: vier bis
fünf Paare (14. Mai), unweit des östlichen
Dorfrandes von Oberlienz
1997: 1 Ex bei Thurn in einer Hecke ent-
lang einer Feldmauer (4. Mai).
Die Steinriegelfluren auf dem Ober-
lienzer-Thurner Schwemmkegel
Das sanft ansteigende Gelände nördlich
von Lienz ist das Werk von zwei meist klei-
nen Bächen, dem Schleinitzbach bei Ober-
lienz und dem Zauchenbach bei Thurn.
Diese haben in unzähligen kleinen Muren-
gängen den Schwemmkegel bis an die Isel
vorgeschoben. Er hat eine Basis-Länge von
gut 5 km und einen Höhenunterschied bis
zum Schwemmkegelhals von etwa 350 m.
Seit mehr als 1.000 Jahren ist es nachweis-
lich bäuerliches Siedlungsgebiet (Locus
Luenzina mit vier Rotten, 1030). Unmen-
gen von Lesesteinen haben die Bauern aus
den Ackerfluren entfernt und bis zu vier
Meter hohe Steinriegel aufgeschlichtet und
Feldmauern in Längs- und Querrichtung er-
richtet. Zusammen mit den darauf wu-
chernden Strauch- und Baumbeständen ist
durch die horizontal verlaufenden Stütz-
mauern eine merkwürdig anmutende
Ter-
rassenlandschaft
entstanden. Josef Küh-
treiber hat in den Jahren 1950 bis 1952 erst-
mals die Ornis der vielen unterschiedlichen
Kleinbiotope erfasst (Die Vogelwelt der
Lienzer Gegend; Schlernschriften-Lienzer
Buch, 1952). Nirgends in der Lienzer Ge-
gend zieht wegen der sonnigen Lage der
Frühling so früh, artenreich und so üppig
mit der Kirschblüte ein, wie hier. In einer
einfühlsamen Beschreibung hat Kühtreiber
auch den Jahreslauf der merkwürdigen
„Steinriegelflora“ dargestellt (1952).
OSTTIROLER
NUMMER 7-8/2005
8
HEIMATBLÄTTER
Die Steinriegelfluren östlich von Oberlienz (Bild) sind der bevorzugte Lebensraum der
Sperbergrasmücke in Osttirol.
Foto: A. Heinricher
Weibchen der Sperbergrasmücke sind nur minimal „gesper-
bert“, Oberseite bräunlich.
Das markante Kennzeichen des Männchens: „Unterseite“ ist
direkt und kräftig dunkelgrau quergebändert.
Foto: Kosmos-Vogelführer