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gen Herrn von Wolckhenstain Messing Hüt-
werch, dem Carmelithercloster, Spithall
unnd St. Johannes Khürchen, welches alles
schöne wol erpaute Gotsheuser gewesst,
ausser der Schweizer Vorstat, Frauencloss-
ter und Pfarrkhürchen, so enhalb des Was-
sers der Isel stehet, jämer- und erpärmbli-
cher Weise in die 160 Feuer[behausungen],
ausserhalbb der Fueterbehausungen (deren
auch in die 100 gewest), aus dem Grundt
und Erdtrich, ja sogar auch die Pruggen
und Werchgepey zu nit geringer Gefahr der
ligenden Gründt unnd Pöden (die ohnedas
hart unnd mit grossem Uncossten zuer-
pauen sein) aus dem Wasser heraus ver-
brendt worden.
In welcher Prunst, ungeacht sie wie ge-
melt bey hellem liechten Tag aufkhomen, nit
allain unser vilen und schier den maisten
alle Moblilien, Anclaidungen, essender
Speis, Traid, Parschafft, Silbergeschmeid,
Pet- und Leingewanndt dermassen, das(s)
manichen khain Pissen Proth, darmit er
sich erlaben mechte, zugeschweigen ain
merers überbliben, hindurchganngen, sonn-
der auch in die 13 Personnen (darundter
guet, ehrlich vom Adl und Burgersleuth ge-
wesst) erpärmblich umbkhomen, auch die
Heuser also ausprenndt und verderbt wor-
den, das der Zeit khaine zu bewohnen, ja vil
gar nit mer zu erpauen seyen“.
Seit dem
Brand – so die Stadt – seien überdies einige
Keller, Estriche und Gewölbe eingestürzt,
wodurch das gerettete Hab und Gut, das
man dorthin geflüchtet habe und dort sicher
glaubte, beschädigt worden sei. Die Stadt
brauche dringend Hilfe. Zu diesem Zweck
seien zwei Abgesandte bereits unterwegs
nach Innsbruck.
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Auch Sigmund und Christoph von Wol-
kenstein, die als Inhaber der Herrschaft
Lienz und Eigentümer der Messingwerke
zu den schwer Geschädigten gehörten, lie-
ßen Innsbruck mit Schreiben vom 14. April
wissen, die Stadt Lienz sei durch eine
„er-
schrockliche und äusserist verderbliche
Prunst“
heimgesucht und gestraft worden,
wobei 160 Wohnhäuser und an die 100 Sta-
del, drei
„wolgezierte“
Kirchen, weiters ihr
Messingwerk, der neu erbaute Adelsansitz
Liebburg und andere Häuser in ihrem Be-
sitz niedergebrannt sowie 13 Menschen aus
dem Adels- und Bürgerstand aufs erbärm-
lichste
„gleichsamb zu Pulver und Äschen
hindurchgangen“
.
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Die nach Lienz entsandte landesfürst-
liche Kommission bestätigte in einem Be-
richt von Mitte Mai den Hergang. Ausge-
brochen war das Feuer am 8. April 1609
um die Mittagszeit im Eckhaus der nördli-
chen Häuserzeile der Meranergasse durch
einen Kaminbrand. Dieses Haus außerhalb,
aber nahe der Stadtmauer gelegen, in dem
auch ein Goldschmied einquartiert war, ge-
hörte dem Bürger und Tuchscherer Chri-
stoph Ebenperger. Obgleich sofort Lösch-
arbeiten einsetzten, war das Feuer nicht
mehr zu bändigen und einzudämmen, auf-
kommender Wind trieb und fegte es über
die Stadtmauer in die Rosengasse, von dort
fraß sich der Brand zum Oberen Platz und
dann weiter zum Unteren Platz vor. Der
Wind, der zeitweise umschlug und die
Richtung wechselte, sorgte dafür, dass sich
der Brand die Meranergasse und selbst die
Mönchsgasse hinauf ausbreitete und auch
dort wütete. Die nüchterne Bilanz eines
dreistündigen Infernos: Ab- und ausge-
brannt waren 114 Wohnhäuser und 70
Wirtschaftsgebäude, abgebrannt die Johan-
neskirche, das Karmelitenkloster samt
Kirche und das Spital samt Kirche, abge-
brannt das Messingwerk. Dreizehn Men-
schen waren in den Flammen umgekom-
men, darunter gottlob, wie die Kommission
meinte, kein Kind. Noch Tage danach
waren einige Personen an den Folgen des
„empfangnen grossen Schröckens“
gestor-
ben. Verwunderlich war, konstatierte die
Kommission, dass da und dort das Flam-
menmeer, das nicht ein Gebäude ver-
schonte und aussparte, nicht alles vernich-
tet hatte. In der Karmelitenkirche war die
Orgel komplett abgebrannt, der Altar aus
Holz und eine daneben hängende seidene
Reiterfahne hatten vom Feuer nichts abbe-
kommen. Das kleine und aus Holz ge-
schnitzte Kruzifix in der St. Johanneskir-
che, das vor demAusgang angebracht war,
verlor seine Bedeckung und sein Posta-
ment, die Figur überstand heil das Feuer.
Bei der zur Liebburg gehörigen Kapelle
(westlich an diese angebaut) vernichtete
das Feuer das Dach, verschonte im darun-
ter befindlichen Sakralraum den Holzboden
OSTTIROLER
NUMMER 3-5/2009
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HEIMATBLÄTTER
Im Auftrag einer landesfürstlichen Kommission wurden jene
Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude Stadtviertel für Stadtviertel,
Gasse für Gasse erhoben und protokolliert, die der Brand vernich-
tet hatte.
Fotos: Tiroler Landesarchiv
Aufgelistet wurden auch jene Häuser rechts der Isel, die der Brand
verschont hatte. Ironie des Schicksals: Diese ausschließlich in der
Schweizergasse, im Forchach und Kalchgrube gelegenen Häuser
verwüstete die nächste Brandkatastrophe im Jahre 1613.