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schaffen, wo sie es abgeholt haben. Falls
es an Hausknechten oder Zimmerleuten
mangelt, können von der Obrigkeit andere
Personen, bevorzugt die Maurer, zu dieser
Aufgabe eingeteilt werden.
8. Jeder Fassbinder ist verpflichtet, in
seinem Haus zumindest zwei Bottiche
oder Zuber bereit zu halten, die er bei
Feuersgefahr in seiner unmittelbaren
Nachbarschaft, gefüllt mit Wasser, heran-
schaffen soll. Derjenige, in dessen Haus
das Feuer ausgebrochen ist, hat dem Fass-
binder für diese Hilfeleistung ein Entgelt
zu zahlen, dessen Höhe von der Obrigkeit
jeweils festgelegt wird.
9. Auf Kosten der Stadt sollen zwei große
Wasserbehälter („Prenndten“) aus Lärchen-
holz, umfangen mit Eisenreifen, angefertigt
werden. Einer ist im Spital, der andere im
Karmelitenkloster oder andernorts, wo es
genügend Wasser gibt, aufzustellen. Dem-
jenigen, der mit dem Fuhrwerk einen sol-
chen Behälter voll mit Wasser an den
Brandort herankarrt, ist vom Besitzer des
Hauses, wo das Feuer ausgebrochen ist, für
die erste Fuhre ein Gulden, für alle weiteren
Fuhren je 10 Kreuzer zu zahlen.
10. Die Stadtkammer hat nach und nach
hundert lederne Wasserkübel anzukaufen,
die im Rathaus gelagert werden. Bei Feu-
ersgefahr haben sie die Meister des Schuh-
macherhandwerks samt Hausgesinde dort
abzuholen und an den Brandort zu schlep-
pen. Genannte Meister sind dafür verant-
wortlich, dass kein Kübel verloren geht.
11. Es sollen auch 15 bis 20 Paar Fuß-
eisen angeschafft werden, welche die Zim-
merleute und Maurer im Brandfall benüt-
zen sollen.
12. Es sollen auch 12 bis 15 Spritzen aus
Messing oder Holz angeschafft und im
Rathaus gelagert werden.
13. Damit bei Nacht allenthalben ge-
nügend Licht ist, sollen 12 bis 15 eiserne
Feuerpfannen, jede mit einem Überhut, an-
geschafft und vornehmlich an den Eckhäu-
sern angebracht werden. Deren Bewohner
sind verpflichtet, auf diese Feuerpfannen
acht zu geben und bei Feueralarm diese
mit Pech zu füllen und anzuzünden.
14. Es sollen Richter und Rat vertrau-
enswürdige Personen verordnen, die wäh-
rend einer Feuersbrunst die noch offenen
Stadttore (von denen nicht alle geschlossen
werden) bewachen und darauf achten, dass
nicht verdächtige Personen [geplünderte]
Sachen aus der Stadt tragen.
15. Sobald eine Feuersbrunst ausbricht
und die Glocke Alarm schlägt, sind alle
Bürger und Inwohner gemäß ihrer Pflichten
und ihres Eides angehalten, sich um die
Viertelmeister und Befehlshaber zu scharen
und gemeinsam zum Stadtrichter zu eilen.
An der Brandstelle werden der Stadtrichter,
der Rat und der Ausschuss die nötigen An-
ordnungen treffen, damit das Feuer gelöscht
wird, und konkret jene Personen benennen,
die Rettungsmaßnahmen vorzunehmen
haben und die müßigen Gaffer vertreiben.
Falls Helfer aus dem Landgericht Lienz be-
nötigt werden, hat das der Stadtrichter die
höhere Obrigkeit wissen zu lassen.
16. Während der zwei Fürstenmärkte
[Jahrmärkte], der gewöhnlichen Wochen-
märkte und der Kirchweihfeste, wenn viel
fremdes Volk in die Stadt strömt, hat jeder
Bürger und Inwohner sein Hausgesinde
anzuweisen, einen mit Wasser gefüllten
Zuber oder eine Wanne auf dem Dachbo-
den aufzustellen.
17. Es ist dem Stadtrichter aufgetragen,
mehrmals im Jahr, zumindest aber viertel-
jährlich, im Beisein einiger Ratsmitglieder
in den im städtischen Burgfrieden gelege-
nen Häusern die Rauchfänge zu inspizie-
ren und nachlässige Hausbesitzer abzustra-
fen, und der Stadtrichter hat darauf zu ach-
ten, dass allerorts, besonders aber in den
Ställen, mit Lichtern vorsichtig umgegan-
gen werde. Den Rottleuten ist aufgetragen,
monatlich eine Feuerbeschau vorzuneh-
men. Sie sind berechtigt, wenn sie auf
Nachlässigkeiten stoßen, ein Pfand einzu-
ziehen, etwa eine Schüssel oder eine
Pfanne, und dieses im Rathaus zu deponie-
ren. Letztlich sollen der Richter und der
Rat zumindest vier Personen verordnen,
die während der Nacht Feuerwache schie-
ben und die volle Stunde auszurufen
haben. Im Falle, dass diese Wächter einen
Brand entdecken, haben sie mit Glocken-
geläut Alarm zu schlagen und mit lauter
Stimme den Brandort zu benennen. Für
diese Alarmierung hat ihnen derjenige,
dem das Feuer ausgekommen ist, das erste
Mal einen Gulden, für jedes weitere
Alarmschlagen zwölf Kreuzer zu zahlen.
Damit diese Feuerordnung auch einge-
halten wird, ist der Gerichtsherrschaft auf-
getragen, für die Einhaltung dieser Ord-
nung zu sorgen sowie Personen, die einen
Brand verursacht haben, unnachlässig ab-
zustrafen.
Anmerkungen
:
1 Meinrad Pizzinini: Lienz. Das große Stadtbuch. Lienz
1982, S. 148 ff.
2 Tiroler Landesarchiv (TLA): Handschrift 2896, fol. 15
ff.
3 TLA: Geheimer Rat, Akteneinlauf in Regimentsachen
22.April 1608.
4 Ebendort.
5 TLA: Geheimer Rat: Akteneinlauf in Kammersachen
12. Juni 1609.
6 TLA: Geheimer Rat, Kopialbuch Ausgegangene Schrif-
ten in Kammersachen 1609 fol. 197, 207, 331, 333, 588
und 1610 fol. 19 und 89; Kammer, Kopialbuch Gutach-
ten an Hof 1609 fol. 245 und 471; Kammer, Kopialbuch
Gemeine Missiven 1609 fol. 1075, 1651, 1716 und
1077; Kunstsachen I/383.
7 Dieser Mathias Burglechner oder Burgklehner hat sich
als Geschichtsschreiber und Kartograph verewigt. Er
schrieb ein umfangreiches und mehrbändiges Ge-
schichts- und landeskundliches Werk „Tirol Adler“.
Dessen Originalmanuskript, das leider nie in Druck ge-
gangen ist, wird im Österreichischen Staatsarchiv auf-
bewahrt. Burglechner erstellte auch eine großformatige
Tirol-Karte (1611 als Holzschnitt und 1629 als Kupfer-
stich). Ihm verdankt Lienz die älteste Ansicht der Stadt,
die Burglechner (vor 1609) für seinen „Tiroler Adler“
hat anfertigen lassen. Burglechner ließ als Vorsitzender
der Kommission 1609 eine Ansicht der verbrannten
Stadt Lienz anfertigen. Letztere befindet sich im Besitz
des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum (FB 7004).
8 Der Bericht der Kommission mit ihren Beilagen sowie
der Bericht Christoph von Wolkensteins, zwei zentrale
Dokumente, finden sich unter: TLA: Geheimer Rat: Ak-
teneinlauf in Kammersachen 12. Juni 1609.
9 TLA: o.ö. Kammer, Kopialbuch Embieten und Befelch
1609 fol. 184.
10 TLA: Landschaftliches Archiv, Raitbuch des landschaft-
lichen Generaleinnehmers 1609 fol. 115 und 138.
11 TLA. Landschaftliches Archiv, Landtagsakten, Faszikel
3, Nr. 22 (Protokoll des Kleinen Ausschusses von
22.6.1609 in Bozen).
12 TLA: Landschaftliches Archiv, Raitbuch des landschaft-
lichen Generaleinnehmers 1613 fol. 137; 1614 fol. 15
und 17; 1616 fol. 18; 1617 fol. 20 und 1622 fol. 34.
13 TLA: Geheimer Rat, Akteneinlauf in Kammersachen
31. August 1609.
14 TLA: Ältere Cameral-Akten Nr. 93.
15 TLA: Geheimer Rat: Akteneinlauf in Kammersachen
29. Oktober 1609 und vom 7. Dezember 1609.
16 TLA: Leopoldina Lit. L Nr. 16.
17 TLA: Kataster 121/6.
18 TLA: Handschrift 8/1 (Landschaftliches Archiv) fol.
101.
19 Diese für den Jahrtag des Brandes, den 8. April, ange-
ordnete Prozession lebt in Lienz bis heute fort. Später
wurde sie mit dem Florianitag, dem 8. Mai, in Verbin-
dung gebracht und diese Florianiprozession begehen die
Lienzer noch heute.
OSTTIROLER
NUMMER 3-5/2009
12
HEIMATBLÄTTER
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer: HR
Dr. Wilfried Beimrohr, Tiroler Landesarchiv,
A-6020 Innsbruck, Michael-Gaismair-Straße 1.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-
ter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.
Historische Aufnahme der Lienzer Floriani-Prozession in der Rosengasse, Mai 1895
(Privatbesitz).
Unbekannter Fotograf