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OSTTIROLER
NUMMER 4/2010
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HEIMATBLÄTTER
kam es im Jahre 1910 zur Gründung des
Arbeitergesangvereines „Edelweiß“ Lienz,
dem bei der Gründungsversammlung auch
Mitglieder des damaligen Arbeiter-Bil-
dungsvereines beitraten. Das Probelokal war
beim „Lepzelter“ in der Kreuzgasse. Der
erste Chorleiter war der Kupferschmied
Anton Gasser. Bereits damals trugen die
Sänger schon die Abzeichen, welche auch
heute noch von den Vereinsmitgliedern ge-
tragen werden. Mit viel Opferbereitschaft
und Hingabe wurde der Verein immer grö-
ßer und selbstbewusster.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges aber
warf den Verein wieder auf Quartettgröße
zurück, zahlreiche Männer mussten zum
Kriegsdienst einrücken. Nur die Eisenbahner
hatten die Möglichkeit, die Tätigkeit imVer-
ein aufrecht zu erhalten.
Nach dem Krieg kamen langsam die
Übriggebliebenen zurück und begannen den
Neuaufbau des Vereines. Mit dem Chorleiter
Hermann Schölzhorn war ein Mann auf dem
Plan, der die Sänger in kurzer Zeit auf einen
gesanglich hohen Stand zu bringen ver-
mochte. So war es kein Wunder, dass man
sich auch bald um eine Fahne und deren
Patin bemühte. Im Jahre 1922 wurde die
Fahne, die auch heute noch dem Verein
voran getragen wird, enthüllt. Frau Martha
Jaufer hatte die Patenschaft übernommen. In
der Folgezeit wurden viele Sängerwettstreite
geführt und vielfach war der Verein hierbei
in den vordersten Reihen zu finden. Weit
über den Bezirk hinaus sprach man von den
großen Leistungen des Lienzer AGV „Edel-
weiß“. In diesen Jahren erreichte der Verein
seine Blütezeit. Die Silvesterveranstaltungen
im „Schwarzen Adler“ zu Lienz mit „Der
Bremerkeller“, einem Singspiel mit vier
Quartetten, Gendarmen, demWirt und dem
König Wein, waren in aller Munde.
Aber auch für den Verein kam wieder eine
Krise, die beinahe zum Zusammenbruch ge-
führt hätte. Wegen Uneinigkeiten traten der
Chormeister und einige Sänger zurück. Das
Leben des Vereins hing an einem seidenen
Faden. Vor einiger Zeit hatte sich bereits
unter der Leitung der Brüder Fritz und Lud-
wig Modling ein Jugendchor gebildet, der
nun, in der Krisenzeit, in die Bresche
sprang. Beide Chöre wurden zusammenge-
legt und traten nun vorübergehend als ge-
mischter Chor auf.
Ludwig Modling leitete den Chor bis zu
seiner gewaltsamen Auflösung im Feber
1934. Als Obmänner fungierten in dieser
Zeit die Sangesbrüder Dovrovisek und
Ludwig Modling.
Das Regime Dollfuß ließ schon in den
ersten Wochen des Jahres 1934 die Auf-
lösung aller sozialdemokratischen Organi-
sationen erkennen. Doch kurz vor der Auf-
lösung der Sozialdemokratischen Partei
und ihrer Nebenorganisationen konnte das
wichtigste an Vereinsvermögen treuhändig
an Mitglieder übergeben werden und so der
Beschlagnahmung entgehen. Auch heute
noch besitzt der AGV „Edelweiß“ Noten-
material aus den damaligen Zeiten.
Auch der Flügel und das Piano übernah-
men Sänger zu treuen Händen. Die Fahne
wurde in die Obhut von Sangesschwester
Mizzi Kramer, der Gesellschafterin der Be-
sitzerin von Schloss Bruck, übergeben.
Diese wertvollen Stücke des Vereines
konnten so über die schwere Zeit hinüber-
gerettet werden. Ein Großteil des Archivs
dagegen fiel in die Hände der Besetzer des
Arbeiterheimes.
In der Folgezeit trafen sich immer wieder
Vereinsmitglieder, um zu singen. Sie traten
unter dem Namen „Eisschützenverein
Fisch“ auf. Doch schon bald interessierte
sich der Sicherheitsbeamte der Bezirks-
hauptmannschaft Lienz, Dr. Hundegger, für
das Quartett. Der Gesang musste einge-
stellt werden. Ein neuerlicher Versuch,
unter dem Namen GÖC (Großeinkaufsge-
sellschaft österreichischer Konsumver-
eine) eine Sängerrunde zu bilden, schei-
terte ebenfalls.
Das Suchen nach einer gesanglichen
Tätigkeit und der Wunsch beisammen zu
sein blieben auch dem damaligen Obmann
des Lienzer Sängerbundes, Emil Winkler,
nicht unbekannt. So wurde der Vorschlag
gemacht, dem Sängerbund beizutreten, bis
der Verein wieder aktiviert werden könnte.
Zur damaligen Zeit hatte auch der Sän-
gerbund „Chorleiterschwierigkeiten“, und
so wurde beiden geholfen, indem der Chor-
meister Hermann Schölzhorn die gesang-
liche Leitung übernahm. Diese Chorge-
meinschaft bestand während all der Jahre
der Unfreiheit unseres Vaterlandes.
Feier der Fahnenenthüllung am 2. Juli 1922; in der Mitte die Fahnenpatin Martha Jaufer.
Szenenbild aus dem im „Schwarzen Adler“ aufgeführten und viel bejubelten Singspiel
„Bremerkeller“, Ende 1920er-Jahre.
Abzei-
chen für die
Mitglieder
des AGV
„Edelweiß“.
Fest-
abzeichen
aus Anlass
der Fahnen-
enthüllung
1922
(unten).