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OSTTIROLER
NUMMER 1-2/2011
8
HEIMATBLÄTTER
Loft in N. Y. zelebrierte er die kulinarischen
Einladungen, kaufte immer sein Fleisch bei
einem mächtigen Metzger italienischer
Herkunft, der mit blutbeschmierter Schürze
und riesigem Messer hinter der Vitrine im
weiß gekachelten Fleischerladen die Kun-
den sehr persönlich bediente.
Das ausgeglichene warme Klima der Pro-
vinz Oaxaca in Mexiko hat er schon früh
kennengelernt. So entstand der Wunsch nach
einem eigenen Zuhause in dem kleinen Dorf
Mazunte an den Abhängen der Sierra Madre
del Sur an der pazifischen Küste. Ein
Alterssitz, in dem R. Kräfte auftankte, wenn
es zu unruhig und hektisch wurde. Er genoss
dort das beschauliche Leben unter den be-
freundeten Einheimischen, wenn er die Pro-
dukte aus dem fruchtbaren Land am Markt
einkaufte oder in den kleinen strohgedeck-
ten palapa-Restaurants am Strand sich an
den Köstlichkeiten des Meeres erfreute.
Mehrmals im Jahr, wenn er nach Deutsch-
land flog, machte er einen Abstecher nach
Österreich, nach Wien und ins Burgenland
zu seiner Tochter Una und auch zu seiner
Frau Henny, von der er getrennt lebte. Wenn
Zeit war, besuchte R. auch seine alte
Heimat Lienz, wo er mit Freunden lange ge-
sellige Abende verbrachte. Hatte er früher
die Gipfel der umliegenden Berge bestiegen,
so ließ er sich in den letzten Jahren zu
Wanderungen überreden, obwohl ihm das
Bergabgehen beschwerlich war und Schmer-
zen bereitete. Erinnerungen an seine aktiven
Jugendjahre wollte er sich positiv erhalten.
„Heimat ist dort, wo ich Mensch sein kann
und wo ich arbeiten kann“ war sein Kom-
mentar und „die Erinnerung an früher ist
etwas anderes“.
In N. Y. lebend wurde er – vermutlich
mehr als wir hier in Österreich – mit den
Schmähungen unseres Landes nach der
„Waldheimaffäre“ und der Regierungsbe-
teiligung der FPÖ im Jahr 2000 konfrontiert.
Der Umgang mit der schlampigen Aufar-
beitung der Geschichte unseres Landes war
ihm ein Dorn im Auge. Er schloss sich den
Protesten der heimischen Künstlerschaft an
und war – auch hier kam die Kompromiss-
losigkeit des Tirolers in ihm zumVorschein
– schließlich einer der wenigen, die ihrem
Vorsatz treu blieben, die Staatsbürgerschaft
wegen dieser Regierungsbeteiligung wirk-
lich zurückzulegen. R. sprach uns gegenüber
immer davon, dass er dies nur für die Dauer
des für ihn untragbaren Zustandes tun
wollte. In einem offiziellen Brief an das
Bundeskanzleramt suchte er 2007 wieder
um die Staatsbürgerschaft an. Es mag schon
stimmen, dass man die Staatsbürgerschaft
nicht wie Unterhosen wechseln kann, dass
die Treue dem Land und nicht der Regierung
gebührt. R. empfand es als Kränkung, dass
man ihm auf seinen Brief nicht einmal ge-
antwortet hat. Die leeren Versprechen und
das Hinauszögern der Wiedergewährung des
Österreichischen Passes von politischer
Seite rochen stark nach Revanche. R. hat
Österreich imAusland erfolgreich vertreten.
Sein Tod hat uns auch deshalb geschmerzt,
weil er den „Amerikaner“ R. A. ereilt hat.
R. hatte die Beengtheit abgelegt und das
Weite gesucht, von Lienz nach Graz über
Wien nach N. Y. und L. A.
In einem typisch mexikanischen Friedhof
– ganz in der Nähe seines Hauses – hat R.
seinem Wunsch entsprechend in Mazunte
seine letzte Ruhestätte gefunden.
Bildnachweis:
Mag.
a
Andrea Kollnig (S. 5, oben), Foto-
archiv Dr. Willi Bernard (S. 1, 6 unten, 7, 8),
www.baunetzwissen.de (S. 6 oben); die wei-
teren Aufnahmen sind dem Werk Raimund
Abraham, [Un]built, Wien (Verlag Springer)
1996 entnommen.
Raimund Abrahams letzte Ruhestätte in Mazunte (Mexiko).
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift der Autoren dieser Nummer: Dr.
med. Willi Bernard, Prim. i. R., Grafendorf 21,
A-9900 Gaimberg – Mag.
a
Andrea Kollnig,
Tristacher Straße 61, A-9900 Lienz.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-
ter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.
Rai-
mund mit
seiner Frau
Henny (r.)
und
Heide B.
im Hoch-
land von
Oaxaca in
Mexiko, in
den 80er-
Jahren.
Eingangs-
bereich
seines
Wohn-
hauses im
Dorf
Mazunte
(Mexiko).