Krieg in der Ukraine - Wie erkläre ich Kindern, was gerade in der Ukraine passiert?


Wie erkläre ich Kindern, was gerade in der Ukraine passiert?

Das Geschehen in Osteuropa geht auch an den Kleinsten nicht vorbei. Der „OVT“ sprach mit der Familienberaterin Mag.a (FH) Romana Ravnjak darüber, wie man das Thema Krieg vor Kindern und Jugendlichen behandeln sollte und wie es gelingen kann, ihre Sorgen und Ängste etwas abzufedern.

Frau Mag. a. Ravnjak: Zuerst beschäftigte uns zwei Jahre lang das Thema Corona, jetzt der Krieg in der Ukraine. Selbst Erwachsene machen sich Sorgen und Gedanken über die aktuelle Entwicklung, aber wie geht es den Kindern und Jugendlichen damit?

Die Familien – Eltern mit ihren Kindern und Jugendlichen - haben in den letzten zwei Jahren enorm viel geleistet, um die Pandemie so gut wie möglich zu überstehen - und sie ist ja auch noch nicht vorbei. Und jetzt kommt mit dem Krieg in der Ukraine die nächste Krise auf uns zu. Wir sind müde – krisenmüde – und doch ist es wichtig, auch jetzt wieder für unsere Kinder und Jugendlichen da zu sein und ihnen die Informationen zu geben, die sie interessieren.

Wie spricht man mit Kindern generell über Krieg, Gewalt oder Terror?

Zunächst ist es wichtig, dass wir Erwachsenen, wir Eltern, uns zu dem Thema informieren, denn wir sind die Ansprechpartner für unsere Kinder. Meine fast 18-jährige Tochter hat mich wissen lassen, dass sie zunächst nichts darüber wissen möchte. „Mir genügt, dass ich weiß, dass dort Krieg ist, das ist schlimm genug.“ Das habe ich akzeptiert und die Zeit genutzt mich zu informieren, warum jetzt in der Ukraine Krieg ist. Um es selbst zu verstehen, denn mir war klar, dass meine Tochter eines Tages darüber wird sprechen wollen. Ein paar Tage später war es dann so weit. Als ich von der Arbeit heimkam, erzählte sie mir, dass sie von ihrem Taschengeldkonto für die Menschen in der Ukraine gespendet hat, und dann haben wir darüber geredet.

 Gibt es ein „zu früh“, wenn man darüber sprechen möchte?

Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen altersgerechte Informationen. Ein Kindergartenkind bekommt die Geschehnisse anders mit als Volksschulkinder oder Jugendliche. Oft kommen die Kinder von selbst mit Fragen. Nehmen sie sich die Zeit und beantworten sie tatsächlich nur die gestellten Fragen. Wir Erwachsenen neigen oft dazu, mehr zum Thema zu erzählen, weil wir denken, dass es wichtig ist, so viel wie möglich zu wissen. Doch müssen wir bedenken, dass Kinder noch mehr Zeit brauchen, um Informationen zu verarbeiten. Überfordern sie ihr Kind nicht mit zu vielen Informationen. Geben sie daher kurze Antworten, bleiben sie bei der Wahrheit und bleiben sie sachlich. Es ist in Ordnung zu sagen: „Der Krieg in der Ukraine ist für die Menschen, die dort wohnen schrecklich. Wenn du Fragen hast, werde ich versuchen diese zu beantworten.“ Es ist auch in Ordnung nicht alles zu wissen und das auch zu sagen. Bei kleinen Kindern müssen wir auch nicht konkret werden und über Tod und „die armen Kinder“ sprechen. Da reicht es aus, zu sagen, dass es für Menschen im Krieg schwierig ist.

Berichte über den Krieg in der Ukraine laufen in den Nachrichten, es wird darüber in den Familien gesprochen, manchmal heftig diskutiert. Kinder hören doch zu und nehmen Sorgen, Ängste und auch Aggressionen auf. Was sollte man hier beachten?

Vermeiden sie für Kinder im Kindergarten- und Volksschulalter die Nachrichten im Fernsehen. Da prasseln die Informationen mit Bildern ungefiltert auf die Kinder ein. Auch das Autoradio sollte zurzeit nicht eingeschaltet sein, wenn ihre Kinder im Auto sitzen. Vermeiden sie ungefilterte Informationen für ihre Kinder so gut es geht. Wenn sie aber darüber sprechen, geben sie keine Zukunftsprognosen ab. Versuchen sie nicht, ihr Kind mit Aussagen wie: „es wird bald vorbei sein“ zu beruhigen. Auch Aussichten ins Negative, wie: „möglicherweise wird ein Atomkrieg daraus“ sollten sie vermeiden. Wir wissen es nicht. Wichtig ist, wenn wir mit Kindern und Jugendlichen über den Krieg sprechen, dass wir bei dem bleiben, was wir im Moment wissen. Nicht mehr und nicht weniger. Vermeiden sie vor allem Diskussionen unter Erwachsenen über den Krieg vor den Kindern.

Was kann man in der Familie tun?

Und das wichtigste ist, verbringen sie als Familie viel Zeit mit schönen Dingen. Ich habe mir erst vor kurzem die Frage gestellt: „Ist es in Ordnung, dass es mir gut geht und ich es mir gut gehen lasse, wenn nicht weit entfernt Krieg herrscht?“ Ja, das ist in Ordnung und absolut wichtig. Machen sie sich eine feine Zeit und sorgen sie für schöne Momente in ihrer Familie. Sie können sich auch gemeinsam engagieren und überlegen, wie sie den Menschen in der Ukraine aktiv helfen können. Auch darüber machen sich Kinder und Jugendliche Gedanken. Informieren sie sich über Hilfsmöglichkeiten von Geldspenden über Sachspenden bis hin zu Friedensmärschen, an denen man aktiv teilnehmen kann.

 Jugendliche informieren sich vor allem über soziale Netzwerke: Instagram, TikTok, YouTube. Hier gibt es oft ungefilterte Information, verstörende, Leid und Gewalt darstellende Bilder, reißerische Schlagzeilen aber auch Falschinformation. Das ist doch für Kinder und Jugendliche sicher sehr belastend und auch verwirrend.

Jugendliche bekommen über die sozialen Medien sicher schon mehr mit. Manche reden darüber, manche nicht. Gehen sie offen auf ihre Jugendlichen zu und fragen sie, ob sie dazu Fragen haben und wie es ihnen damit geht. Machen sie die Jugendlichen darauf aufmerksam, dass sie mit den Nachrichten auf sozialen Medien vorsichtig umgehen müssen, weil sie nicht immer stimmen. Und sagen sie ihnen, dass sie jederzeit für Fragen zur Verfügung stehen. Schauen sie sich Berichterstattungen über den Krieg gemeinsam an, dann können offene Fragen gleich beantwortet werden. Doch sollten der Fernseher oder das Radio nicht den ganzen Tag in der Familie mit den Kriegsberichten laufen. Schalten sie die Geräte bewusst aus. Reden sie auch über die Bilder und Videos, die über die Smartphones versendet werden und erklären sie ihren Jugendlichen, dass es besser ist, diese erst gar nicht anzuschauen bzw. sie nicht weiterzuschicken, weil sie starke Gefühle wie Unsicherheit und Angst auslösen können.

Mag. (FH) Romana Ravnjak ist Sozialarbeiterin, Familienberaterin und Gesundheitstrainerin für Entspannung. Seit 2018 führt sie eine Praxis für Entspannung und Achtsamkeit in Spittal. In der „Silence4You“- Akademie bildet sie Kinder-Entspannungs- und Mentaltrainer aus.

 

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